Gastkommentar Rennen um CDU-Vorsitz: Kein Objekt chauvinistischer Träume

Die Sehnsucht nach Alphatieren ist groß in der CDU. Dabei könnte die Partei Annegret Kramp-Karrenbauer als Merkel-Nachfolgerin verkennen.

Eine Frau mit kurzen Haaren, Brille und weißem Kostüm zeigt mit dem Zeigefinger der rechten Hand in die rechte Richtung

Die CDU-Männer könnten Kramp-Karrenbauer unterschätzen Foto: reuters

Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) wird nachgesagt, eine Art „Mini-Merkel“ zu sein. Sie gilt als die Kandidatin für den CDU-Parteivorsitz, die den Kurs der Kanzlerin fortsetzt. AKK als quasi natürliche Nachfolgerin von Angela Merkel, die die CDU weiter nach links rückt und die Männer als Rückkehr zum „Markenkern“ der CDU? Ihr politisches Profil spricht dagegen.

Sie warnt vor hohen Klimaschutzzielen, ist gegen die Aufhebung des Werbeverbots für Abtreibungen und verweigerte die Anerkennung der „Schwulen und Lesben in der Union“ als offizielle Vereinigung in der CDU. Sie fordert harte Konsequenzen, „wenn Zuwanderer nicht bereit sind, sich zu integrieren“, will die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz anheben und hat auch schon die Abschaffung des Soli ins Spiel gebracht. Nur weil sie eine progressivere Frauenpolitik verfolgt und mehr von Sozialpolitik hält als ihre Konkurrenten, kann man ihr ein konservatives Profil nicht absprechen.

Ihre Konkurrenten werden aber trotzdem darauf pochen, dass nur sie die CDU wieder konservativer machen. AKK wird es schwer haben, dagegen zu halten. Insbesondere, weil im CDU-Wahlkampf der politische Stil wichtiger zu sein scheint als die politischen Inhalte. AKK wäre nicht nur eine weitere weibliche Parteivorsitzende, sondern ebenfalls eine, die nicht auf den Tisch haut, nicht poltert und nicht polarisiert. Also eine Parteivorsitzende, die wie Merkel einen ruhigen Politikstil hat.

Doch die Sehnsucht nach Alphatieren wächst. Merkels analytische, abwartende Art wird international geschätzt, in Deutschland aber nicht mehr. AKK dient als Projektionsfläche für all die vermeintlichen weiblichen Schwächen der Kanzlerin, während insbesondere auf Friedrich Merz die chauvinistischen Träume von einer Zeit vor der Merkel-Ära projiziert werden.

Gut möglich, dass AKK nicht mit ihren politischen Inhalten scheitert – sondern daran, dass ihre Konkurrenten etwas verkörpern, wonach sich die CDU sehnt, sich aber unmöglich bei einer Frau vorstellen kann.

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ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hertie School of Governance und Kommunikationsberater. Er arbeitet und forscht im Bereich politische Kommunika­tion und Framing.

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