Kolumne Press-Schlag: Olympischer Schnee in Buenos Aires

Argentinien erwägt, sich für die Olympischen Winterspiele 2026 zu bewerben. Warum eigentlich nicht? Ist doch weltmarktlogisch!

Eine Schneekanone schießt Schnee

Die Schneekanone – eine Antwort des Weltmarkts auf den Klimawandel Foto: dpa

Alle reden vom Wetter, sogar Thomas Bach. „Traditionelle Wintersportländer“ sollten bei der Vergabe künftiger Olympischer Winterspiele bevorzugt werden, hat IOC-Präsident einmal gesagt. Das ist schon deswegen interessant, weil nicht einmal der oberste Chef des Ladens zu wissen scheint, dass Spiele an Städte vergeben werden, nicht an Staaten.

Nun hat gerade Buenos Aires angekündigt, eine Bewerbung zu prüfen. Dort hat es zwar im Jahr 2007 nach 89 Jahren zum ersten Mal geschneit, aber zum einen sollen in Argenti­niens Hauptstadt ja nur die Eissportwettbewerbe stattfinden; für die Disziplinen, in denen es halbwegs sicheren Schnee braucht, ist Ushuaia vorgesehen – ein Wintersportort im südlichsten Zipfel Argentiniens.

Zum anderen: Wenn die nächsten Winterspiele 2022 in Peking stattfinden, wenn sie vor vier Jahren im Badeort Sotschi waren, wenn sie ebenfalls schon in Turin stattfanden und sich bekanntlich München um die Ausrichtung 2018 bemüht hatte: Warum eigentlich nicht Buenos Aires?

Olympische Spiele, sommers wie winters, sind Megasportevents, mit denen Milliarden Euro Umsatz gemacht wird. Nicht zu Unrecht wird Gigantisches gerne mit dem Begriff, es habe „olympische Ausmaße“ umschrieben.

Keine Spleenigkeit, sondern Größenwahn

Genau deswegen gibt es gute Gründe, gegen die Ausrichtung Olympischer Spiele zu sein. Sie haben nämlich etwas mit Weltmarkt, mit Kapitalisierung, mit Gigantismus zu tun. Dass solche Events plötzlich sozial- und umweltverträglicher wären, wenn sie in kleineren Alpen- und anderen Gebirgsgegenden stattfänden, ist ein saublödes Gerücht. In Wahrheit ist es ja andersherum: Wenn die Olympischen Spiele erst einmal Bergdörfer heimgesucht haben, sind diese für Jahrzehnte geschädigt.

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Dass Buenos Aires überlegt, sich zu bewerben, hat nichts mit Spleenigkeit zu tun, schon eher mit Größenwahn. Aber eben nicht dem der Stadtpolitiker, sondern dem strukturellen Wahn des Olympismus: Höher, schneller, weiter. Das ist das Motto, das die Globalisierung verkündet; ein Zusatz „aber nur in traditionellen Wintersportländern“ passt nicht zu diesem Motto.

Argentinische Winterolympiapläne entspringen exakt der gleichen Logik, die auch in Peking, München oder Sotschi angewandt wird. Man schielt auf den Weltmarkt, auf dem mit solchen Megaevents Geld verdient wird. Es ist zudem kein Zufall, dass es gerade Großstädte sind, die in kein Alpental passen, die sich um Winterspiele bemühen, denn die haben wenigstens ansatzweise die Infrastruktur für solche Events.

Gegner tun nur so, als sei ihnen das Klima wichtig

Dieser Weltmarkt ist ja auch dabei, seine sehr eigene Antwort auf Klimawandel, Erderwärmung und Gletscherschmelze zu geben: Die „All Weather Snowmaker“-Maschine produziert Schnee bei jeder Umgebungstemperatur, auch im Sommer. Entwickelt wurde der Snowmaker von einer israelischen Firma mit Sitz nahe dem Mittelmeer, die ihre ersten Tests in Südafrika in der Nähe von Johannesburg durchführte.

Wer will da noch von „traditionellen Wintersportländern“ reden? Abgesehen davon, dass es tatsächlich im nördlichen Israel, im Hermongebirge, und im Grenzgebiet von Südafrika und Lesotho, in den Maloti-Bergen, Skigebiete gibt. Die Rede von den „traditio­nellen Wintersportländern“, die man mit Europa assoziiert, ist im Zeitalter der Globalisierung nichts anderes als Pfründesicherung.

Es bleibt dabei: Wer gegen Olympische Spiele ist, kann gute Argumente vortragen. Wer aber sagt, solche Events gehörten nicht nach Amerika oder Asien, sondern nur in Orte, die man mit dem Begriff „traditioneller Wintersport“ verbindet, der tut nur so, als denke er ans Klima. Alle reden vom Wetter. Wir nicht.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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