Mängel an Stuttgarter Bahnhofsprojekt: Scheitert Stuttgart 21 am Brandschutz?

Zu enge Fluchtwege, schlechter Rauchabzug: Ein von den Stuttgart-21-GegnerInnen vorgelegtes Gutachten zeigt grobe Mängel beim Bahnprojekt.

Bauarbeiter füllen Beton in eine Verscha­lung

Steckt Stuttgart 21 in der Sackgasse? Foto: dpa

Ein Brand im Tunnel zum geplanten Tiefbahnhof Stuttgart 21 oder in der Station selbst könnte verheerende Folgen haben. Die Fluchtkorridore sind zu eng, der Rauchabzug greift zu langsam, und es könnten mehr Passagiere auf den Bahnsteigen sein als für die Genehmigung der Anlagen angegeben.

Das stellen zumindest die beiden Brandschutzexperten Hans Heydemann und Christoph Engelhard in einem Gutachten für das Aktionsbündnis Stuttgart 21 fest. „Es liegen so viele Verstöße gegen die Vorschriften des Eisenbahnbundesamts (EBA) vor, dass der Brandschutz nicht genehmigungsfähig ist“, sagt Heydemann und fordert von der Behörde, erteilte Genehmigungen zurückzunehmen.

Die Gutachter sehen eine Vielzahl von gravierenden Mängeln bei der Planung des Brandschutzes. So sei der Tiefbahnhof bei einer Katastrophe nicht für eine geordnete Massenflucht ausgelegt. „Die Fluchtwege sind zu eng, zu steil, zu niedrig und nicht rauchfrei“, heißt es in der Untersuchung. Die Stufen seien lediglich 26 Zentimeter breit und damit zu schmal zum vollen Auftreten. „Stürzt auch nur einer, reißt er alle anderen mit sich“, heißt es darin weiter. Besonders Menschen mit Gehbehinderung könnten im Ernstfall in Gefahr geraten. Denn sie seien auf funktionierende Aufzüge angewiesen. Diese würden allerdings im Ernstfall außer Betrieb genommen, kritisieren die Gutachter.

Auch die Entrauchungsanlage erhält von den Autoren schlechte Noten. Aufgrund der Entfernung von zwei Kilometern, in der sich die Luftzufuhr für die Entrauchung befindet, wirke sie erst nach einer Zeitverzögerung von bis zu 20 Minuten. „Die Verrauchung der Tiefbahnsteighalle wird bei einem schweren Brandereignis viel schneller erfolgen, als die Menschen daraus fliehen können“, warnen die Gutachter. Sie bemängeln auch die Annahmen für die maximale Anzahl von betroffenen Passagieren auf einem Bahnsteig. Die Bahn gehe von gut 4.000 Menschen bei einem Regionalzug auf jeder Seite aus. Tatsächlich plane das Unternehmen mit zwei Zügen pro Gleis, um die Kapazität des Bahnhofs hoch zu halten. Mehr als 6.900 Fahrgäste könnten im schlimmsten Fall von einem Brand betroffen sein. Hier sehen die Gutachter einen Verstoß gegen die Vorschriften. Danach muss die Flucht der maximal möglichen Zahl an Menschen möglich sein.

Das Bündnis fordert den Baustopp

Bricht im Tunnel vor dem Bahnhof ein Feuer aus, ist die Evakuierung der Fahrgäste ebenfalls unsicher. Eine Rettung von 1.757 Fahrgästen innerhalb von 11 Minuten sei nicht möglich, weil die Fluchtwege mit einer Breite von 1,20 Meter zu eng seien und die Rettungs­stollen mit einem Abstand von 500 Meter zu weit auseinanderlägen. Schließlich kritisieren die Wissenschaftler, dass es keine Werksfeuerwehr am Bahnhof geben soll.

Der Sprecher des Aktionsbündnisses, Werner Sauerborn, fordert Konsequenzen. „Es ist aufgrund der beengten Verhältnisse kein funktionsfähiger Brandschutz möglich“, sagt er. Das Bündnis fordert einen Baustopp für Stuttgart 21. Sauer­born verweist auf das Desaster beim Bau des Berliner Großflughafens BER. Auch dort wurde trotz bestehender Mängel beim Brandschutz einfach weitergebaut. Die Folge sind hohe zusätzliche Kosten und lange Verzögerungen. Das Bündnis will statt des Tiefbahnhofs einen modernisierten Kopfbahnhof durchsetzen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.