CO2-Emissionen mindern: Einfangen und wegsperren?

Es gilt als letzte Hoffnung gegen die Erwärmung: Das Einfangen des Klimagases Kohlendioxid. Doch unter Klimaschützern ist die Methode umstritten.

Hinter einem Karpfenteich steigt Wasserdampf aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG

Kohlendioxid einfach unter dem Boden speichern? So richtig weiß keiner, was die Folgen davon wären Foto: dpa

BERLIN taz | Es ist die letzte große Hoffnung vieler Klimaschützer: Die Überhitzung der Atmosphäre zu bremsen oder sogar umzukehren, indem ihr das Klimagas Kohlendioxid (CO2) entzogen wird. Diese „Carbon Dioxide Removal“ (CDR), also Kohlendioxidentfernung, genannten Techniken sollen Zeit kaufen für den Umstieg auf Energien und Produkte ohne Kohlenstoff, versprechen Techniker, Firmen und Regierungen. Das Problem dabei: Die Technik steckt noch in den Kinderschuhen. Und sie wirft ganz neue Fragen auf.

Anders als mit futuristischen „Geoengineering“-Spielarten, bei denen etwa das Sonnenlicht von der Erde ferngehalten soll, haben sich die Forscher des Weltklimarates (IPCC) in ihrem Bericht ernsthaft mit „negativen Emissionen“ befasst. Ihr Urteil: Alle Pfade, die das 1,5-Grad-Ziel direkt erreichen, „nutzen CDR in der Größenordnung von 100 bis 1.000 Milliarden Tonnen CO2 über das 21. Jahrhundert.“ Das ist so viel wie die Welt heute in fünf bzw. 50 Jahren ausstößt. Sollten die 1,5 Grad überschritten werden, seien „negative Emissionen“ als Notbremse nicht mehr zu verhindern, wenn man wieder unter diese Schwelle zurückwolle, heißt es. Die verschiedenen Formen hätten „unterschiedliche Reife, Potenziale, Kosten und Nebeneffekte“, warnen die Forscher.

Theoretisch geht es darum, CO2 einzufangen und möglichst effektiv wegzusperren. In Frage kommen vor allem zwei Techniken: Aufforstung ist die natürlichste Form der CO2-Speicherung. Solange die Bäume stehen, ist auch der Kohlenstoff gebunden. Das Problem: Wenn das Holz verbrannt wird oder sich zersetzt, wird das Gas wieder frei. Und Aufforstung gegen die Klimakrise bräuchte riesige Landgebiete, die damit nicht mehr als Felder oder Weiden zur Verfügung stünden. Das IPCC rechnet mit mehren Millionen Quadratkilometern, die so der Land- und Forstwirtschaft verloren gingen. Zum Vergleich: Ganz Deutschland hat etwa 350.000 Quadratkilometer.

Kohlenstoff einfangen und speichern (CCS) wäre die technische Alternative. Was seit Jahrzehnten bei der Öl- und Gasgewinnung praktiziert wird (CO2 in die Erde pumpen, um damit Öl und Gas nach oben zu drücken) könnte auch als Speicher genutzt werden. Norwegen etwa bietet der EU an, seine leeren Gasfelder unter der Nordsee mit dem CO2 Europas aufzufüllen. Die Probleme: Das bräuchte neue Pipelines, viel Geld und Energie, um das CO2 in den Boden zu pressen. Und Akzeptanz in der Bevölkerung.

Eine Kombination aus Aufforstung und CCS ist „BECCS“: Kraftwerke erzeugen Strom, indem sie Holz verfeuern, das vorher der Luft CO2 entzogen hat. Dieses Kohlendioxid wird dann aufgefangen und in einem CCS-System gespeichert. Die Probleme: Die gleichen wie bei CCS. Und: Bisher ist die Technik kaum erprobt.

Hintertür für den Weiterbetrieb in der Kohleindustrie

Andere CDR-Techniken werden bislang nur getestet: Forscher „düngen“ Ozeane mit Eisenspänen, um Algen wachsen zu lassen, die CO2 in der Tiefsee binden. Biokohle könnte Kohlenstoff im Boden binden und die Böden verbessern. Bei künstlicher Verwitterung wird CO2 unterirdisch im Gestein eingeschlossen und versteinert. Luftfilter entziehen der Atmosphäre CO2 und nutzen es etwa in der Industrie. Keine dieser Techniken steht derzeit in großem Maßstab zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung. Niemand weiß, welche Ökoschäden sie anrichten könnten.

Klimaschützer haben die Debatte um „negative Emissionen“ lange gescheut. Ihre Angst: Damit werde etwa der Kohleindustrie eine Hintertür für den Weiterbetrieb geöffnet. „Es gibt keine breite politische Debatte über dieses Thema“, kritisiert Oliver Geden, der für die Stiftung Wissenschaft und Politik zu dem Thema forscht. Zwar gebe es Pilotprojekte in den USA, Schweden, Norwegen und Großbritannien, aber eine Debatte über Chance und Risiken stehe noch aus.

Die Klimaszene ist gespalten. Während manche fest davon ausgehen, ohne CDR sei das Klimaproblem nicht zu lösen, warnen andere davor, eine Technik zu fördern, ohne sich über die Folgen klar zu sein.

Die Kritik ist noch breiter: In allen Modellen des Klimarats IPCC würde ein ewiges Wirtschaftswachstum angenommen, heißt es etwa in dem Papier „Wachstum – ein blinder Fleck“, das die Grünen-nahe Böll-Stiftung herausgibt. „Die Annahme von Wachstum bis 2100 ist aber unrealistisch, weil es die natürlichen Grundlagen zerstört“, heißt es. Negative Emissionen dagegen seien vielleicht gar nicht nötig, wenn man über Schrumpfung der Wirtschaft rede – und zwar in besonders CO2-intensiven Bereichen wie Rüstung, Fleisch, Auto- und Flugverkehr.

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