Polizeischutz für Journalisten: Begleitetes Berichten?

Gerade bei rechten Demonstrationen mehren sich Übergriffe auf Journalisten. Der DJV fordert besseren Polizeischutz – andere sind skeptisch.

Polizisten bilden eine Kette

Polizisten schützen eine rechte Demo in Chemnitz Foto: dpa

Journalisten werden immer häufiger zum Ziel von Gewalt durch Rechtsextreme: Die rechte Terrorzelle „Revolution Chemnitz“ soll Angriffe auf Pressevertreter geplant haben. Im sachsen-anhaltinischen Naumburg wurde ein freier Mitarbeiter der Lokalzeitung vor einem Supermarkt von drei Jugendlichen bespuckt und mit einem spitzen Gegenstand angegriffen – ob die Attacke im Zusammenhang mit seiner journalistischen Tätigkeit steht, ist noch unklar, einer der Jugendlichen soll jedoch den Hitlergruß gezeigt haben.

Das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit zählte bis Mitte September bereits 22 tätliche Übergriffe auf Journalisten. Reporter ohne Grenzen rechnet damit, dass die Zahl der Angriffe auf Medienvertreter 2018 im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen ist. „Attacken auf Journalisten sind keine ‚Kollateralschäden‘, sondern wir sind Ziele der Rechtsextremisten“, sagt Frank Überall, Chef des Deutschen Journalistenverband (DJV), und fordert einen „besseren Polizeischutz“ von JournalistInnen bei rechten Demonstrationen und Aufmärschen.

Doch wie soll das in der Praxis aussehen? Sollen Journalisten im Pulk durch rechte Demonstrationen geführt werden, geschützt von Polizisten, die aggressive Demonstranten nur mühsam auf Abstand halten?

„Die Polizei sollte Journalisten, wenn es die Lage erforderlich macht, bei Ausübung ihres Berufs schützen“, heisst es in einer Mitteilung, die der Deutsche Presserat nach den Attacken gegen Journalisten in Chemnitz veröffentlichte. Dort war es bei den Aufmärschen von Rechtsextremen zu massiven Übergriffen auf Journalisten gekommen, Betroffene berichteten von Beleidigungen, Schlägen, Kameras gingen zu Bruch. Polizeischutz soll in solchen Situationen die freie Berichterstattung gewährleisten.

„Begleitung wäre ein Problem“

Journalisten, die selbst von der Gewalt betroffen waren, sehen das aber zum Teil kritisch. „Es ist gut wenn Polizei in der Nähe ist, aber eine Begleitung wäre ein Problem“, findet Pascale Müller. Die Buzzfeed-Reporterin war in Chemnitz und Köthen, in Twittervideos berichtete sie über viele der Vorfälle. Auf einem ihrer Videos ist zu sehen, wie einem Journalisten die Kamera aus der Hand geschlagen wird, auf einem anderen filmt sie sich selbst mit Helm auf dem Kopf und berichtet, wie sie und andere von den Demonstranten angegangen wurden. Von Polizisten begleitet werden will sie trotzdem nicht. „Wenn ein Polizist daneben steht, passieren manche Sachen einfach nicht. Und mit vier Reihen dazwischen kann man das nicht mal mehr dokumentieren.“

Dass sich die Interessen von Polizei und Journalisten bei Demonstrationen entgegenstehen können, zeigen die Vorfälle in Chemnitz und Köthen. Einen Journalisten inmitten einer rechten Demo kann die Polizei kaum schützen, ein Journalist im Sicherheitsabstand sieht nicht, was passiert. Die Hetzreden in Köthen wären wohl von niemandem gefilmt worden. Und: ein uniformierter Polizist, der dem Journalisten über die Schulter schaut, könnte Interviewpartner verunsichern.

„Wie soll das funktionieren, wie sollst du da noch an die Leute rankommen?“, fragt André Berthold. Und das sagt der Journalist, obwohl er selbst angegriffen wurde – als Teil eines MDR Kamerateams in Chemnitz. Die Attacke fand in einer Wohnung statt, in der die Journalisten vorher gefragt hatten, ob sie den Demonstrationszug vom Balkon aus filmen dürften. Einer von Bertholds Kollegen musste leicht verletzt ins Krankenhaus. „Es war nur eine Frage der Zeit bis so etwas passiert“, sagt Berthold. Und das, obwohl MDR-Teams inzwischen nur noch mit Personenschützern von rechten Demonstrationen berichten. Auch in Chemnitz begleiteten zwei Security-Leute die Journalisten – allerdings nicht in die Wohnung. „Nach fünf Minuten kam dann ein Mann in die Wohnung, hat uns von hinten gepackt und ‚Scheiß Journalistenpack‘ gerufen“, berichtet Berthold. Sein Kollege sei „filmreif mit Vorwärtsrolle“ die Treppe heruntergestürzt.

„Begleitung muss möglich sein“

Angriffe wie dieser sind für den Deutschen Journalistenverband der Grund, Polizeischutz für Journalisten zu fordern. „Bei massiver Gewalt muss eine Begleitung möglich sein“, sagt Hendrik Zörner vom DJV. „Ob da zwei Beamte einen Journalisten begleiten, oder drei, vier eine Gruppe.“ Je nach Situation könnte der Schutz laut DJV unterschiedlich ausfallen: Ob Polizisten die Journalisten aus dem Hintergrund im Blick behalten und nur im Notfall eingreifen, eine Gruppe in einer Art „Journalistenpool“ im Inneren der Demonstration beschützt wird, oder Polizisten tatsächlich einzelne Journalisten begleiten.

Jan Meinel vom Sächsischen Innenministerium sieht das ähnlich: „Wir müssen im Einzelfall geeignete Lösungen finden.“ Eine grundsätzliche Lösung könne es aber nicht geben. „Dass wir näher zusammenrücken müssen ist klar. Dass die Polizei nicht alle im Blick hatte und zu jedem hin konnte aber auch.“

Im Einzelfall Hilfe holen können sich Journalisten auch jetzt schon. „Ich habe die Polizisten immer als sehr kooperativ erlebt“, berichtet André Berthold. Dass das nicht mehr reicht, um die Sicherheit der Journalisten und damit die Pressefreiheit zu gewährleisten, zeigen die Attacken in Chemnitz und Köthen. Für die Berichterstattung hat das Konsequenzen. „Die Entscheidung ‚Das ist mir zu viel‘ ist eine, die jeder für sich treffen kann“, sagt Pascale Müller. „Wenn viele aber nur kurz bleiben oder nicht mehr hingehen – dann ist das ein Problem.“

Klar ist: die Pressefreiheit muss auch bei rechten Aufmärschen geschützt werden. „Manche Kollegen sagen natürlich 'Mit Uniformierten daneben kann man kein Interview führen“, sagt Henrik Zörner vom DJV. Das könne schon sein, dieses Risiko müsse man aber in Kauf nehmen. „Oder sollen wir sagen: es ist uns lieber, die Kollegen werden vermöbelt, damit sie auch noch ein paar authentische Geschichten aus dem Krankenhaus mitbringen? Das kann es nicht sein!“ Pascale Müller sieht das anders: „Mir ist es lieber, dass jemand nach mir schlägt – und ich kann dafür frei berichten.“

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