Umfrage zur Akzeptanz von Forschung: Kritische Bereiche ausgeblendet

Das Wissenschaftsbarometer zeichnet nur ein Teil des Stimmungsbildes. Nach umstrittenen Forschungen wie Grüner Gentechnik wurde nicht gefragt.

Demonstration für Wissenschaft und Forschung

Nicht alle sind bei Forschung und Wissenschaft so enthusiastisch wie die Teilnehmer dieses „March of Sciences“ 2017 in München Foto: dpa

BERLIN taz | Schöne heile Wissenschaftswelt. Die Ergebnisse des neuen „Wissenschaftsbarometers“ liegen vor und sie signalisieren: Die Deutschen sind mit der wissenschaftlichen Forschung im Reinen. 52 Prozent der Bürger interessieren sich stark für sie – mehr als für Politik und Sport, 54 Prozent vertrauen ihr. Im Vorjahr war das Vertrauen noch um vier Prozent niedriger.

„Ein steigendes Misstrauen gegenüber der Wissenschaft, wie es immer wieder angedeutet wird, lässt sich aus dem Wissenschaftsbarometer nicht ablesen“, erklärt Markus Weißkopf, der Geschäftsführer von „Wissenschaft im Dialog“. Die Kommunikationsplattform der deutschen Wissenschaftsorganisationen hat die repräsentative Befragung zum fünften Mal durchführen lassen. Dafür wurden von dem Meinungsforschungsinstitut Kantar Emnid 1.008 Personen in der ersten Augusthälfte telefonisch befragt. In 21 Fragen wurde eruiert, wie die Bürger sich über Wissenschaft informieren, welche Rolle sie in ihrem täglichen Leben spielt, wie sie auf Konfliktthemen wie Klima- und Evolutionsforschungen blicken.

Aber auch nach ihren Einschätzungen zur Arbeit der Wissenschaftler – was die Auftraggeber natürlich besonders interessierte. Und hier ergab sich der wenig schmeichelhafte Befund, dass lediglich 40 Prozent der Befragten der Auffassung sind, „dass Wissenschaftler tatsächlich zum Wohl der Gesellschaft forschen“, während 46 Prozent bei dieser Frage unentschlossen sind.

„Wenn ein großer Teil der Menschen nicht überzeugt ist, dass Wissenschaftler ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden, dann steckt in diesem Ergebnis ein Auftrag an die Wissenschaftsgemeinde“, kommentierte Uta-Micaela Dürig, stellvertretende Vorsitzende der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung GmbH, die das Wissenschaftsbarometer finanziell unterstützt hatte. Um dieser Skepsis entgegenzuwirken, sollten Wissenschaftler die Auswirkungen des eigenen Handelns stärker reflektieren und den Bürgern Werte und Methoden der Wissenschaft besser vermitteln.

Ähnlich äußerte sich Bundesforschungsministerin Anja Karliczek in einem ersten Kommentar: „Es ist eine große Herausforderung, die Ergebnisse der Wissenschaft verständlich zu kommunizieren und den Mehrwert der Forschung für die Gesellschaft noch stärker in den Vordergrund zu rücken“. In der vorigen Woche war die CDU-Ministerin auf der Festveranstaltung der Leopoldina in Halle noch konkreter geworden, als sie ankündigte: „Wir werden Anreize für gute Wissenschaftskommunikation setzen, indem wir sie zum Beispiel künftig stärker bei der Forschungsförderung verankern“. Das BMBF erarbeite „gerade gemeinsam mit Forschungsinstitutionen, Förderern und Hochschulen eine Strategie, um die Wissenschaftskommunikation zu stärken“.

Klimawende und Evolutionstheorie

Dass das Wissenschaftsbarometer 2018 hohe Akzeptanzwerte verkündet, hat auch damit zu tun, dass kritische Bereiche ausgeblendet wurden. So wird zwar festgestellt, dass 82 Prozent der Deutschen davon überzeugt sind, dass der Klimawandel überwiegend vom Menschen verursacht ist, 79 Prozent stützen die Evolutionstheorie und nur 13 Prozent zählen sich zu den „Impfgegnern“ (in Westdeutschland übrigens doppelt so viel wie im Osten).

Die positive Statistik wird möglich, weil etwa die Haltung zur Grünen Gentechnik nicht mehr abgefragt wurde. Wo das gemacht wird, etwa in der „Naturbewusstseinsstudie“ des Bundesumweltministeriums, kommt heraus, dass 79 Prozent von 2.000 Befragten für das Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft sind und 78 Prozent befürworten, dass der Mensch kein Recht habe, „Pflanzen und Tiere gezielt gentechnisch zu verändern.“

Kritischer als das deutsche Wissenschaftsbarometer war auch das jüngste Schweizer Pendant, das die Frage stellte: Soll die Wissenschaft alles erforschen dürfen? Nur 26 Prozent der Schweizer war dieser Meinung.

Auch der im Mai von der Technikakademie Acatech vorgelegte „Technikradar 2018 – Was die Deutschen über Technik denken“ zeichnet mit Schwerpunkt auf die gesellschaftlichen Ängste vor der Digitalisierung ein weniger optimistisches Bild. Es wäre besser, in künftigen Befragungen die wissenschaftliche Forschung mit ihrer Anwendung in Form technischer Innovationen zusammenzuführen. In der Gesellschaft wird dies sowieso als zwei Seiten der einen Fortschritts-Medaille wahrgenommen.

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