Deutschlands Einsatz für CO2-Ziele: Gas geben beim Bremsen

Umweltministerin Schulze wollte auf EU-Ebene Ernst machen mit dem Klimaschutz. Wirtschaftsminister und Kanzlerin haben sie gestoppt.

Svenja Schulze

Ausgebremst: Bundesumweltminsterin Svenja Schulze (SPD) Foto: dpa

taz | Der Klimaschutz auf Europas Straßen wird wieder einmal ausgebremst: Deutschland wird sich auf EU-Ebene nicht für ehrgeizige CO2-Ziele im Verkehr einsetzen – und die EU-Kommission macht Front gegen einen weitreichenden Vorschlag des EU-Parlaments zur Reduzierung des Spritverbrauchs. Damit hat die neue Klimastrategie der EU, die bis November in Brüssel erstellt wird, bereits einen kräftigen Dämpfer bekommen.

Am Mittwoch wurde klar: Die Bundesregierung unterstützt in Brüssel einen Vorschlag der EU-Kommission, den CO2-Ausstoß der Pkw-Flotten zwischen 2021 und 2030 nur um 30 Prozent zu senken. Dabei hatte sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) für eine Reduktion von 45 Prozent eingesetzt. „Wir haben uns entschieden, den Vorschlag der EU-Kommission als Grundlage für die weiteren Verhandlungen nicht zu blockieren“, erklärte am Mittwoch ein Sprecher des Umweltministeriums.

Damit gibt Schulze dem Druck von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nach. Beide hatten am Dienstag klargemacht, dass die 30 Prozent ihre Schmerzgrenze sind. „Alles, was darüber hinausgeht, birgt die Gefahr, dass wir die Autoindustrie aus dem Land vertreiben“ sagte Merkel. Auf diese Weise bremst das wirtschaftlich stärkste Land der EU mit der größten Autoindustrie die Bemühungen um Klima-Fortschritt.

Die EU braucht dringend CO2-Reduktionen für ihr Klimaziel

Nächste Woche entscheidet das EU-Parlament im Plenum über seine Linie in dieser Sache, dann beginnt der „Trilog“, die Kompromissverhandlung zwischen EU-Rat und Parlament. Am Ende, hoffen Klimaschützer, soll ein Wert deutlich über 30 Prozent stehen. Den bräuchte Europa, um sich seinen Klimaziele aus dem Pariser Abkommen zu nähern.

Der Umweltausschuss des EP hat dafür bereits einen ehrgeizigen Vorschlag vorgelegt: Minus 45 Prozent bis 2030. Dem hatte sich Schulze angeschlossen. Ihr Rückzieher sei geschehen, um Schlimmeres zu verhindern, heißt es aus dem Ministerium: Eine Blockade in der Bundesregierung hätte einen schnellen Beschluss in Brüssel verhindert. Die nächste Kommission und das nächste EU-Parlament, die im Frühjahr 2019 antreten, hätten aber mit einer möglicherweise gestärkten Fraktion von Populisten vielleicht gar keine EU-Grenzwerte mehr beschlossen. „Wir haben uns für die Möglichkeit entschieden, die das Beste für die Umwelt ist“, sagte Schulzes Sprecher.

Die EU-Kommission macht derweil Druck auf die Abgeordneten, ihren Beschluss ebenfalls zu verwässern. In einem neunseitigen „Non-Paper“ rechnet die Kommission vor, wohin ihrer Meinung nach der Vorschlag aus dem Umweltausschuss führen würde: Wenn der CO2-Ausstoß zwischen 2021 und 2030 um 45 Prozent sinke und gleichzeitig ein Marktanteil von 40 Prozent für Autos mit null oder sehr geringen CO2-Ausstoß vorgeschrieben werde, seien etwa 60.000 Jobs bedroht und auf die Verbraucher kämen Mehrkosten zu. „Vom gesamtgesellschaftlichen Standpunkt führt das 30-Prozent-Ziel insgesamt zu Einsparungen“, heißt es in dem Papier. „Höhere Ambitionsniveaus führen zu Netto-Kosten.“

Doch Klimaschutz im Verkehr gibt es nicht umsonst. Sollten in der EU nur die geringeren CO2-Ziele vorgeschrieben werden, müssten die Einsparungen anderswo im Verkehrsbereich erbracht werden. Davor warnte im August eine Studie des Thinktanks Agora Verkehrswende. Was nicht bei den CO2-Vorgaben erreicht werde, müsse über Instrumente wie Tempolimit, Maut, ÖPNV-Förderung oder höhere Dieselsteuern erbracht werden.

„Der Vorschlag der EU-Kommission vermindert den CO2-Ausstoß deutlich zu wenig“, sagte Agora-Chef Christian Hochfeld. „Wer die Klimaschutzziele ernst nimmt, muss sich auf EU-Ebene für deutlich ambitionierte Standards stark machen.“

Die Bundesregierung hat jetzt genau das Gegenteil beschlossen.

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