Kommentar Katholische Kirche: Kein Platz für diese Moralblase

Die Ehe für alle ist gesetzlich verankert – an einer katholischen Schule aber Kündigungsgrund. Der kirchliche Parallelstaat muss endlich verschwinden.

Die Hände des Papstes berühren ein Kruzifix

Der Mittelalterclub mit Sitz in Rom darf nicht länger Moralwächter spielen Foto: AP Photo/Gregorio Borgia

September, Anno Domini 2018, irgendwo in Nordrhein-Westfalen. Ein junger Referendar an einem Gymnasium wird nicht als Lehrer übernommen. Weil er schlecht arbeitet? Nein, der Mann gilt im Kollegium als qualifiziert, auch die Schulleitung ist mit ihm zufrieden. Das Vergehen des jungen Mannes, man mag es kaum glauben, ist seine Homosexualität, genauer gesagt, seine offen gelebte Homosexualität.

Weil er bekannt gegeben hat, seinen Lebenspartner heiraten zu wollen, will ihm der katholische Oblaten-Orden als Träger der Schule keinen Lehrervertrag geben. „Die kirchliche Vorstellung von Ehe und Familie ist nicht mit der Lebensführung des betreffenden Referendars vereinbar. Deshalb war es uns nicht möglich, ihm einen Arbeitsvertrag anzubieten“, so die Stellungnahme des Ordens. Die SchülerInnen des Gymnasiums verstehen diese Entscheidung überhaupt nicht, sie wollen jetzt dagegen demonstrieren.

Diese Episode aus dem Städtchen Borken-Burlo zeigt eindrucksvoll, wie meilenweit die Moralvorstellungen der katholischen Kirche von der gelebten Realität in diesem Land (und anderswo) entfernt sind. Es klafft ein tiefer Riss zwischen dem, wie echte Menschen leben und dem Bild von einem oder einer „guten“ Katholikin mit tadellosem Lebenswandel im Sinne der Kirche.

Die Ehe für alle ist gesetzlich verankert – an einer katholischen Schule aber ein Kündigungsgrund. Scheidung und Wiederheirat sind gesellschaftlich normal, für einen Arzt an einem katholischen Krankenhaus kann das ein Einstellungshindernis sein. Die „Pille danach“ gibt es als Kassenleistung auf Rezept – in einem katholischen Krankenhaus wird sie Frauen verweigert, ebenso wie die nach irdischen Gesetzen straffreie Abtreibung vor der 12. Schwangerschaftswoche.

Hauptsache, das Moralkorsett bleibt gewahrt

Doch da die katholische Kirche einer der größten Arbeitgeber in Deutschland ist, müssen viele ArbeitnehmerInnen sich den bizarren Sonderregularien der Kirche beugen. Und der formal von der Kirche getrennte Staat hat bislang keine entschiedenen Schritte unternommen, diese kirchliche Paralleljustiz endlich in ihre Schranken zu weisen.

Was das Schlimmste an dem Fall aus Borken-Burlo ist: Der Entscheidung des Ordens liegt dieselbe Bigotterie zugrunde, die Wissenschaftler am Dienstag in Fulda bei der Vorstellung der aktuellen Kirchenstudie über sexuellen Missbrauch als Grundproblem ausgemacht hatten. Hätte der Lehrer still und heimlich schwul gelebt, wäre das kein Problem gewesen. Schließlich dürfte es Hunderte, wenn nicht Tausende Priester geben, die homosexuell leben. Oder offiziell verbotene sexuelle Beziehungen zu Frauen pflegen.

Gegen die von der Kirche verordnete Sexualmoral zu verstoßen, ist also kein Problem. Die Kirche drückt in solchen Fällen gern ein oder auch beide Augen ganz fest zu. Solange das Moralkorsett nach außen intakt und der gute Ruf der Institution gewahrt bleibt. Dem Referendar wurde zum Verhängnis, dass er nicht weiter Verstecken spielen und ganz offiziell als schwuler Katholik leben wollte. Damit aber hat er den Ehrenkodex dieser zutiefst schwulen-, frauen- und sexualitätsfeindlichen Institution beschädigt.

Verschweigen, Verheimlichen, Vertuschen – diese ungesunde Praxis hat dazu geführt, dass die Katholische Kirche zu einer Täterorganisation verkommen ist, die lieber Menschenleben zerstört, haufenweise vaterlose Pfarrerskinder und „gefallene“ Frauen produziert, ja, die lieber die massenhafte und organisierte Vergewaltigung von Kindern duldet, als endlich, endlich von ihren erstarrten Strukturen und ihrer zutiefst gestörten Vorstellung von Sexualität abzulassen.

Ein Mittelalterclub in Rom

In einer modernen, aufgeklärten Demokratie hat diese Moralblase keinen Platz. Der Gesetzgeber müsste dort endlich beherzt hinein stechen und von außen für eine Transparenz sorgen, die der Kirche aus Prinzip unlieb ist.

Der kirchliche Parallelstaat muss endlich verschwinden, es muss klar sein, dass die vom Grundgesetz garantierten Rechte für Homosexuelle, Frauen, Unverheiratete und Geschiedene durchgesetzt werden können gegen einen Mittelalterclub mit Sitz in Rom, dessen Machtfülle in empörendem Gegensatz steht zu seiner Glaubwürdigkeit als selbst ernannte Moralwächter.

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Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.

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