„Säkulares Forum Bremen“ gründet sich: Ungläubig, aber wahr

Mit der Gründung des Säkularen Forums Bremen versuchen dezidiert religionskritische Organisationen den Einfluss und die Privilegien der Kirchen zurückzudrängen.

Eine Statue zeigt eine nackte Karikatur von Martin Luther.

Gegen zunehmenden religiösen Einfluss: Die religionskritische „Giordano-Bruno-Stiftung“ prangerte im März in Bremen den Antisemitismus Martin Luthers an Foto: dpa

BREMEN taz | Zu einem „Säkularen Forum“ haben sich die Landesverbände des Internationalen Bundes der Konfessionslosen (IBKA), der Humanistischen Union (HU) und der Giordano-Bruno-Stiftung (GBS) zusammengeschlossen. Die drei religionskritischen Organisationen wollen damit ihren Forderungen nach einem laizistischeren Staat und einer Beschneidung der kirchlichen Privilegien Nachdruck verleihen durch einen „konstruktiven Dialog mit den Parteien“.

Auch die öffentliche Wahrnehmbarkeit soll gestärkt werden: Tatsächlich verzichten fast zwei Drittel der Bevölkerung auf Bekenntnisse und Glaubensrituale, „in der Politik und der öffentlichen Wahrnehmung spiegelt sich diese Veränderung allerdings nicht wider“, so Herbert Thomsen als ein Sprecher des Forums.

Tatsächlich sind nicht nur viele politische Parteien sondern auch zahlreiche Medien eng mit Kirchen und kirchlichen Einrichtungen verbunden. Das kann auf rechtliche Privilegien zurückgehen: So müssen öffentlich-rechtliche Sender laut Rundfunkstaatsvertrag „angemessene Sendezeiten“ zur Verfügung stellen, die evangelische und katholische Kirche sowie jüdische Gemeinden auf Kosten der jeweiligen Anstalt bespielen dürfen.

Die Verbindung kann aber auch auf ehrenamtlichem Engagement bestehen – so ist die Chefredakteurin des Weser Kuriers Kuratoriumsmitglied einer Stiftung der Inneren Mission – oder in Geschäftsbeziehungen, etwa den Druckaufträgen der Bremer Evangelischen Kirche bei der Bretag.

Herbert Thomsen, Sprecher des Forums

„Die Debatte ums Tanzverbot war ein erster Anlass, sich einen Kopf zu machen“

Zur Gründung des Forums ist es infolge von politischen Initiativen gekommen, die sich gegen den durch staatliches Handeln artikulierten Machtanspruch der Christenkirchen gewendet hatten: „Die Debatte ums Tanzverbot war ein erster Anlass, sich einen Kopf zu machen über unsere gemeinsamen Anliegen“, so Thomsen.

Ein weiterer war die Durchsetzung des Reforma­tionstags als staatlichem Feiertag: Am Tag, als die Bürgerschaft den beschlossen hat, hatte die GBS eine überlebensgroße nackte Papp-Plastik Martin Luthers auf dem Marktplatz errichtet, um an die üblen Hassreden zu erinnern, die der Reformator gegen Muslime und Juden geschleudert hatte. „Das war der Anlass sich zusammen zu setzen und erst einmal zu schauen: Wer macht was in Bremen?“, so Thomsen. Bis dahin hätten nämlich alle drei Gruppierungen Klein-Klein vor sich hingearbeitet.

Mit der Gründung bringt man sich rechtzeitig in Stellung, um beim Erstellen der Programme für die Bürgerschaftswahl 2019 ansprechbar zu sein – nicht jedoch für alle: Laizisten finden sich auch in rechten Kreisen. „Das stimmt“, sagt Thomsen. Intern habe man darüber beraten. „Wir wollen mit denen nichts zu tun haben“, stellt er klar.

Politisches Hauptziel des Forums ist es, die vom „Grundgesetz geforderte Trennung von Kirche und Staat endlich umzusetzen“, sagt Thomas von Zabern, der sich sonst in der HU engagiert. Die konkreten Angriffspunkte sind zahlreich, manche dabei allerdings mehr bundespolitischer Natur, wie die Forderung nach der Beseitigung der kirchlichen Privilegien im Rundfunkstaatsvertrag oder die Forderung aus dem arbeitsrechtlichen Modell des dritten Wegs auszusteigen.

Das kauft den Arbeit­nehmer*innen von konfessionellen Einrichtungen Streik- und Mitspracherechte ab und verpflichtet sie zudem, sich auch wenn sie gar nicht mit deren Vermittlung betraut sind, den Glaubenslehren des Arbeitgebers gemäß zu verhalten – Ausdruck eines außerordentlich weit gefassten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, das nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs zu Menschenrechtsverstößen führt.

Sehr viel liegt allerdings in Bremens Händen: Dass aus Rücksicht auf Kirchgänger an christlichen Feiertagen Filme wie „Das Leben des Brian“ und Gruselschocker wie „Mary Poppins“ oder „Heidi“ nicht öffentlich aufgeführt werden dürfen, ist eine Verbotspraxis, die das Land mit einer säkularen Mehrheit sofort verändern könnte. Und ob Bremen tolerieren muss, dass in den konfessionellen Ersatzschulen und Kindergärten durch Gebete und Belehrungen missioniert wird, will das Forum diskutiert wissen: Schließlich finanziert Bremen die Einrichtungen zu 90 Prozent, auch wenn als Träger die Kirche gilt.

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