Urteil des Gerichts der Europäischen Union: Rückschlag für Fehmarnbelt-Querung

Die Staatsgarantien und Zuschüsse für die Fehmarnbelt-Querung sind fragwürdig: Das EuG annulliert ein vergleichbares Modell bei der Öresund-Brücke.

Die Öresundbrücke zwischen Kopenhagen und Malmö.

Ist laut EuG rechtswidrig finanziert worden: Die Öresundbrücke zwischen Kopenhagen und Malmö Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Finanzierung des Ostseetunnels zwischen Deutschland und Dänemark steht auf tönernen Füßen. Als „letzten Warnschuss“ betrachtet Konstantin von Notz, Bundestagsabgeordneter aus Schleswig-Holstein und Fraktions-Vize der Grünen im Bundestag, ein Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuG) über das System der staatlichen dänischen Beihilfen für Infrastrukturprojekte. „Weitreichende Auswirkungen“ auf die Fehmarnbelt-Querung hält von Notz für realistisch: „Das wäre das endgültige Ende der Querung“, so seine Einschätzung.

Das EuG hat vorige Woche in einem bislang nur auf Englisch vorliegenden Urteil die Finanzgarantien Dänemarks und Schwedens für den Bau der Öresund-Querung zwischen Kopenhagen und Malmö für unzulässig erklärt. Die EU-Kommission habe für die im Jahr 2000 eröffnete Verbindung nicht ordnungsgemäß geprüft, ob Zuschüsse mit den Wettbewerbsregeln des EU-Binnenmarkts vereinbar seien. Deshalb annullierte das Gericht die Entscheidung der Kommission, die nun eine solche Prüfung vornehmen müsse.

Die Öresund-Brücke wird – sollte die Prüfung negativ ausgehen – nicht wieder abgerissen werden müssen. Für die geplante Fehmarnbelt-Querung aber könnte das bedeuten, dass dort ein neues formelles Prüfverfahren durchgeführt werden muss. Das aber kostet Zeit, die die staatliche dänische Realisierungsgesellschaft Femern A/S nicht hat.

Dänemark will den etwa 7,4 Milliarden Euro teuren Tunnel mit Zuschüssen der EU bauen. In der Finanzplanung von Femern A/S ist eine Geldspritze aus Brüssel in Höhe von 1,4 Milliarden Euro vorgesehen, eine erste Tranche von 589 Millionen Euro steht bereit.

Die feste Fehmarnbelt-Querung (FFBQ) besteht aus drei Teilen: einem Straßen- und Schienentunnel zwischen den Inseln Lolland und Fehmarn sowie dem Ausbau der Anschlüsse in Dänemark und in Schleswig-Holstein zwischen Fehmarn und Lübeck.

Für den Tunnel sollen 89 an Land vorgefertigte Elemente in einem Meeresgraben versenkt werden. Er wird knapp 18 Kilometer lang, 60 Meter breit und 16 Meter tief.

Die Kostenschätzung allein für den Tunnel ist von 5,5 Milliarden Euro vor einigen Jahren auf aktuell 7,4 Milliarden Euro gestiegen. Die Hinterlandanbindung in Dänemark dürfte etwa 1,2 Milliarden Euro kosten, die auf deutscher Seite bis zu drei Milliarden Euro.

Macht alles zusammen rund 11,5 Milliarden Euro.

Dänemark muss sie bis Ende 2020 abrufen, sonst verfällt das Geld. Und die Beihilfeprüfung der EU-Kommission, die nächsten Sommer neu gebildet werden muss, dürfte mindestens zwei Jahre in Anspruch nehmen: Alle Fristen für Zuschüsse würden versäumt, ohne die aber kann nicht gebaut werden.

Zudem hat das EuG noch über eine Klage der Fährreederei Scandlines zu entscheiden, die auf der Vogelfluglinie die Fähren über den Fehmarnbelt betreibt. Sie klagt gegen den EU-Zuschuss für den Tunnel.

Dessen Gewährung sei „rechtsfehlerhaft“, heißt es in der Klagebegründung, weil er zu „unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen“ durch unzulässige staatliche Beihilfen führe. Denn die Subvention aus Brüssel würde dazu beitragen, die florierende privatwirtschaftlich betriebene Fährreederei Scandlines durch die staatliche dänische Realisierungsgesellschaft Femern A/S vom Markt zu verdrängen. Und so eine Form von staatlich gelenktem Kapitalismus ist im gemeinsamen Markt der noch 28 EU-Staaten eigentlich des Teufels.

Der schleswig-holsteinische Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) wies auf taz-Anfrage darauf hin, das EuG habe die Kommissionsentscheidung „aufgrund von Verfahrensfehlern annulliert“. Das Urteil besage aber nicht, „dass das Staatsgarantiemodell rechtswidrig sei“, so Buchholz in einer ersten Bewertung: „Unsere Juristen prüfen das komplexe Urteil zur Öresundquerung derzeit näher.“

Ähnlich sehen das auch der dänische Verkehrsminister Ole Birk Olesen und EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die ebenfalls Dänin ist. Beide verweisen lediglich auf Formfehler. Auch nach Ansicht von Lars Friis Cornett, Deutschland-Chef von Femern A/S, besagt das Urteil nicht, „dass die Finanzierungsform gesetzeswidrig ist“, antwortet er auf Anfrage der taz. Im Gegenteil sei „die Finanzierung des Fehmarnbelt-Tunnels robust“.

Anders sieht das Wilhelm Mecklenburg, Anwalt des deutschen Aktionsbündnisses gegen die Fehmarnbelt-Querung: „Die Wirkung der Entscheidung des Gerichts ist, dass die Beihilfen nicht durchgeführt werden dürfen“, so seine Analyse. Mit der Staatsgarantie könnte „ein staatlicher Tunnelbetreiber sich eines privatwirtschaftlichen Konkurrenten entledigen“, kritisiert auch Malte Siegert, Fehmarnbelt-Experte des Umweltverbandes Nabu, der die Klage der Reederei Scandlines unterstützt: Der Ostsee-Tunnel, das größte und teuerste Verkehrsprojekt Nordeuropas, wackelt.

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