Kolumne Pressschlag: Was Ronaldo schützt

Die Vorwürfe an den Weltstar Cristiano Ronaldo zielen auch auf die Machokultur im Männer-Fußball. Und die ist sehr zäh.

Cristiano Ronaldo auf dem Platz

Auf dem Platz immer noch einer der Besten: Cristiano Ronaldo. Aber jenseits des Platzes? Foto: ap

Es geht nicht um Steuerhinterziehung, es geht nicht um ein brutales Foul, und es ist im Grunde nur die Bekanntheit des Angeschuldigten, die die Öffentlichkeit so genau auf den Fall schauen lässt. Es geht um Vergewaltigung, und es ist nach Aussagen der Frau, die die Vorwürfe erhebt, auch gerade die Prominenz des Cristiano Ronaldo, die sie bislang daran gehindert hat, den Vorfall aus dem Jahr 2009 öffentlich zu machen oder den Behörden mitzuteilen.

Dass Kathryn Mayorga vergewaltigt wurde, hatte sie allerdings sofort, im Juni 2009, der Polizei von Las Vegas angezeigt. Weil sie aber Angst vor den Reaktionen der Fans des Weltstars hatte, hielt sie dessen Namen zurück. Ein außergerichtliches Stillhalteabkommen ließ sie zudem schweigen.

Nun aber sind es mehrere Faktoren, die Frau Mayorga reden lassen: Ihr neuer Anwalt hält das Schweigeabkommen für illegal, die Öffentlichkeit, konkret: der Spiegel, berichtete bereits über die Vorfälle, und die #MeToo-Bewegung hat für ein gesellschaftliches Klima gesorgt, das ein Sprechen über solche Vorfälle ermöglicht.

Keiner dieser Faktoren ist ehrenrührig. Wenn es stimmt, was die Amerikanerin Ronaldo vorwirft, hat sie alles Recht dieser Welt, auch neun Jahre nach dem Vorfall Klage zu erheben. Und die Formulierung „Wenn es stimmt“ soll keine Zweifel an ihren Vorwürfen andeuten. Richtig ist nämlich, dass man nichts über diese Nacht in einem Hotel in Las Vegas weiß.

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„Nichts“ kann nicht heißen, dass man eher dem Prominenten glaubt, der Nichtprominenten hingegen nicht. Nun wird vermutlich ein Zivilprozess stattfinden, bei dem es um Schadenersatz für erlittene Traumata geht, und ob es zum Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung kommt, entscheidet sich bald.

Für den aus der Machowelt des Profimännerfußballs herauszuhörenden Vorwurf, hier wolle sich eine Frau bereichern, indem sie irgendwelche Vorwürfe erhebt, spricht nicht sehr viel. Schließlich muss sich Frau Mayorga, wenn es zu diesen Prozessen kommt, dort Fragen, Vorwürfen, Verdächtigungen und Untersuchungen aussetzen, die nicht durchzustehen wären, wenn ihre Anschuldigungen aus der Luft gegriffen wären.

Mackerwelt im Stadion

Von erwartbaren öffentlichen Anfeindungen gar nicht zu reden. Denn die Amerikanerin legt sich auch mit einem besonders widerwärtigen Teil der Fußballkultur an: mit dem Sexismus in dieser Männerwelt, wo Kerle glauben, sich nehmen zu dürfen, was ihnen zustehe. Mit „was“ sind Frauen gemeint.

Es ist die Kultur des gemeinsamen Puffbesuchs oder des Pin-up-Fotos im Spind, die bislang wie ein Schirm den Sport geschützt hat: So sind die Jungs halt; im Sport dürfe man gehässig über Frauen reden und vielleicht noch mehr.

Ob diese kulturelle Eigenwelt des Männersports wirklich ihren angeblich so harmlosen Sexismus des Man-wird-wohl-noch-sagen-oder-grabschen-dürfen verteidigen kann, lässt sich trotz #MeToo leider keineswegs sicher verneinen. Von den „angeblichen Ereignissen, die jetzt fast zehn Jahre zurückliegen“ schwadroniert Ronaldos aktueller Klub, Juventus Turin, und gibt schon mal den Ton vor. Im Grunde wird die Rede vom „Locker room talk“ aufgegriffen, mit der US-Präsident Donald Trump üblen Sexismus bagatellisieren wollte. Trump nahm nicht ohne Grund eine Anleihe bei der Kultur des Männersports, um Unsagbares doch sagbar zu machen.

Ob die Vorwürfe an Cristiano Ronaldo berechtigt sind, kann die Sportöffentlichkeit nicht entscheiden. Was sie aber könnte, auch wenn es einen Bruch mit einer bestimmten Fußballkultur darstellt, ist, für einen respektvollen Umgang mit Kathryn Mayorga zu sorgen.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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