Greenpeace-Analyse Hambacher Forst: Ein „vergiftetes Angebot“

Eine Rodung des Hambacher Forstes ist unzulässig und unnötig. Zu diesem Schluss kommt Greenpeace auf Grund einer fachtechnischen Schnellanalyse.

Blick auf den Tagebau und den Hambacher Forst

Mit einer steileren Böschung innerhalb des Tagebaus könnte auf eine Rodung verzichtet werden Foto: dpa

BERLIN taz | Die geplante kurzfristige Rodung des Hambacher Forstes verstößt gegen geltendes Recht: Diesen Vorwurf hat die Umweltorganisation Greenpeace am Montag unter Berufung auf ein Rechtsgutachten und eine bergbauliche Stellungnahme erhoben.

Die „fachtechnische Schnellanalyse“, die das unter anderem auf Bergbau spezialisierte Beratungsunternehmen Plejades im Auftrag von Greenpeace erstellt hat, kommt zu dem Schluss, „dass es aktuell möglich wäre, die Tagebauentwicklung und Abbaugewinnung temporär so anzupassen, dass auf einen kurzfristigen Rodungsbeginn in der aktuellen Fällzeit nicht bestanden werden muss“. Möglich sei das unter anderem, indem die Breite der zweiten Sohle des Tagebaus auf das technisch notwendige Maß verringert werde, bevor weiter an der Oberfläche gebaggert werde, schreiben die Berater.

Auf dieser Grundlage argumentiert die Berliner Rechtsanwältin Cornelia Ziehm in einer Stellungnahme, dass die zuständige Bezirksregierung unverzüglich ein Rodungsverbot erlassen müsse. Denn die erteilte Genehmigung sei an die Bedingung geknüpft, dass die Rodung sowohl vom Umfang als auch in zeitlicher Hinsicht „erforderlich“ beziehungsweise „unerlässlich“ sei, schreibt Ziehm. Und das sei nicht gegeben.

Zum einen habe RWE in einem Gespräch mit Umweltverbänden selbst angeboten, den Beginn der Rodung auf den 15. Dezember – und damit nach der geplanten Veröffentlichung des Abschlussberichts der sogenannten Kohlekommission – zu verschieben. „Eine Rodung vor dem 15. Dezember wäre deshalb in jedem Fall unzulässig“, meint Ziehm.

„Geologische und betriebliche Zwänge“

Zudem gebe es mit dem neuen Bergbau-Gutachten sowie ähnlichen Berechnungen des Umweltverbands BUND „mindestens plausible fachspezifische Hinweise“, dass eine Rodung in der diesjährigen Periode, die bis Ende Februar dauert, überhaupt nicht „erforderlich und unerlässlich im Sinne der einschlägigen Zulässigkeitsvoraussetzungen“ sei.

Der Energiekonzern RWE wies die Aussagen des Greenpeace-Gutachtens zurück. Diese vernachlässige ebenso wie die Berechnungen des BUND „alle geologischen und betrieblichen Zwänge“ und verlasse sich ausschließlich „auf die Auswertung zweidimensionaler Luftbild- und Satelliteninformationen“, erklärte Unternehmenssprecher Guido Steffen auf taz-Anfrage. Das Fazit, dass die Rodung nicht zulässig sei, sei deshalb „nicht zutreffend“.

Das sieht auch die Bezirksregierung Arnsberg so. „Es gibt keinen Grund für eine neue Entscheidung“, sagte Sprecher Werner Isermann der taz. Das Angebot von RWE, erst Mitte Dezember mit der Rodung zu beginnen, sei an die Bedingung geknüpft worden, dass die Umweltverbände Greenpeace, BUND und DNR diese dann im Gegenzug akzeptierten. „Dadurch wäre die Rodung dann schneller gegangen, so dass ein späterer Beginn möglich wäre“, meint Isermann. Diesen Vorschlag – laut Greenpeace-Energieexperten Karsten Smid ein „vergiftetes Angebot“ – hatten die Umweltverbände abgelehnt.

Für die verbleibenden Kraft­werke könnte der Tagebau Garzweiler genügen

Auch die Möglichkeit, durch eine steilere Böschung innerhalb des Tagebaus zunächst auf die Rodung zu verzichten, ändere für die Bezirksregierung nichts. „Wir orientieren uns am normalen Betriebsablauf“, sagt Isermann. „Um den zu gewährleisten, muss bis zum 1. März gerodet werden.“ Ob das stimmt, wird vermutlich die Justiz entscheiden. Rechtsanwältin Ziehm hält es jedenfalls für denkbar, die Bezirksregierung vor Gericht zu einem entsprechenden Erlass zu verpflichten.

Von Garzweiler II versorgt

Doch nicht nur die kurzfristige Notwendigkeit der Rodungen ist umstritten. Auch an der Aussage von RWE, dass der Tagebau zur Versorgung der Kohlekraftwerke im Rheinland unverzichtbar sei, gibt es neue Zweifel. So hat Bruno Burger vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg berechnet, dass die Braunkohle aus Hambach künftig nicht mehr benötigt würde, wenn die Braunkohle-Förderung bis zum Jahr 2030 linear auf 0 reduziert würde – was viele Szenarien vorsehen.

Die beiden verbleibenden rheinischen Braunkohlekraftwerksstandorte Neurath und Niederaußen könnten allein vom Tagebau Garzweiler II versorgt werden, argumentiert Burger. Das wäre auch technisch kein Problem, weil die Kraftwerke per Schiene sowohl mit Hambach als auch mit Garzweiler verbunden sind.

Zu einem ähnlichen Schluss war kürzlich bereits das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gekommen. Für die Versorgungssicherheit sei die Nutzung des verbliebenen Teils des Hambacher Forstes nicht notwendig, heißt es in einer DIW-Studie. Durch „steilere Arbeitsböschungen und geringere Böschungsbreiten“, die anderswo bereits praktiziert würden, könnte zudem mindestens drei Jahre ohne Rodungen weiter Kohle gefördert werden. Insgesamt können nach Schätzung des DIW in Hambach noch 230 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert werden, ohne den Wald zu roden.

Eine ähnliche Zahl hält auch Greenpeace für realistisch. Bei gleichbleibender Abbruchkante könne allein durch einen steileren Böschungswinkel noch mehrere Jahre Kohle gefördert werden, meint Energie-Kampaigner Karsten Smid.

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