Lebensbedingungen der Bauern in Mali: Kein Regen seit drei Jahren

Wegen des Klimawandels werden die Ernten in Mali immer schlechter. Staatliche Hilfe für die Bauern gibt es keine. Ein Ausweg ist die Fischzucht.

Männer stehen an einem Flussufer und halten einen schwimmenden Fischkäfig an einem Seil fest

Am Senegal-Fluss in Mali richten Jugendliche aus dem Dorf Somanikidi Coura eine Fischzucht ein Foto: Katrin Gänsler

SOMANIKIDI COURA/SAMÉ PLANTATION taz | Sire Soumare setzt vorsichtig einen Schritt vor den ­anderen. Das Ufer des Senegal-Flusses ist steil, der Boden rutschig. Umso wichtiger ist es, dass das kleine Dorf Somanikidi Coura gerade eine Anlegestelle baut. Nicht nur den Besuchern, die in den schmalen Piroggen den Fluss überqueren, wird sie das Ein- und Aussteigen leichter machen. Es werden auch weniger Kinder und Frauen beim Waschen der Wäsche oder des Geschirrs ins Wasser fallen.

Der 67-Jährige Soumare gehört zu den Gründern des Dorfs, das dieses Jahr sein 40-jähriges Bestehen feiert. Ein Fest gibt es dazu nicht. Soumare ist aber stolz auf das, was er und die übrigen 13 Männer, die 1977 aus Frankreich zurückkamen, geschafft haben. „Wir haben eine Krankenstation, die Kinder gehen in die Schule. Wir sind unabhängig vom Staat und vom Geld aus Europa.“

Soumare hat die Auswanderung nach Europa bereits hinter sich. 1970 ging er in den Kongo, danach fünf Jahre nach Frankreich – angetrieben von der Vorstellung eines besseren Lebens und vom Wunsch, in Europa für die Unabhängigkeit der portugiesischen Kolonien zu demonstrieren. Irgendwann war das zweite Ziel erreicht und das erste der Desillusion gewichen. Als Malis Regierung 60 Hektar Land – davon drei entlang des Flusses – für die Gründung des Dorfs zusagte, ging er zurück nach Hause.

Jetzt hat sich der alte Mann in einen Stuhl mit bequemer Rückenlehne in den Schatten gesetzt. Die Stimmen von drei Frauen, die das Mittagessen vorbereiten, klingen herüber. Weiter unten am Fluss arbeiten zehn junge Männer am neuesten Projekt, das das Dorf vorantreiben soll: Fischzucht im Fluss für den Eigenbedarf und zum Verkauf.

Spektakuläre Ergebnisse

Unten am Fluss hält Issiaha Soumare mit anderen Jugendlichen ein dickes blaues Seil fest. Der 18-Jährige hat gerade Ferien. Jetzt lehnt er sich zurück, um mehr Kraft zu haben und nicht umzukippen. Denn am Seil hängt ein riesiger Fischkäfig, Teil des Fischzuchtprojekts ProKayes der Welthungerhilfe.

„Fischzucht im Sahel, das klingt sehr seltsam“, gibt Abdoulaye Sangaré zu, der das Projekt in der Distrikthauptstadt Kayes koordiniert. Doch der Senegal-Fluss, der in Guinea entspringt, durch den Westen Malis fließt und dann gut 1.000 Kilometer westlich an der Grenze zwischen Mauretanien und Senegal den Atlantik erreicht, ist dafür geeignet. Bassins werden genutzt, Wasserläufe lassen sich finden. „Daraus lässt sich ein System entwickeln“, sagt der Diplomlandwirt Sangaré. Erste Erfahrungen gibt es von einem früheren Projekt, für das Fische in Tümpel gesetzt wurden. „Die Ergebnisse waren spektakulär.“

Über Fischzucht wird in Mali immer wieder gesprochen. Sie gilt als Einnahmequelle – und als Maßnahme, um dem Klimawandel zu begegnen. Auf den ersten Blick scheint dieser an der Region Kayes vorbeizugehen. Am Ufer des Senegals ist es grün. Die Bäume tragen große Blätter. Graue Wolken scheinen Regen anzukündigen. Doch so wenig wie 2018 hat es lange nicht mehr geregnet. „Extrem schwierig“ nennt Sangaré dieses Jahr. Im Juli sprach die EU von der „schwersten Nahrungsmittelkrise der letzten fünf Jahre“.

Der Boden ist steinhart

Auf der anderen Seite des Flusses schaut sich Tenimba Dia­kité ihr kleines Feld an, etwas abseits ihres Dorfs Samé Plantation. Gemeinsam mit 34 anderen Frauen bewirtschaftet sie zwei Hektar; für die Pacht zahlt jede Frau 10.000 bis 20.000 CFA-Francs (15 bis 30 Euro). Sie baut auf 400 Quadratmetern Mais, Okraschoten und Zwiebeln an, oder versucht es zumindest. Der Boden ist steinhart.

Tenimba Diakité ist auch schon älter als 60 Jahre. „Richtig geregnet hat es schon seit drei Jahren nicht mehr,“ seufzt sie. Kein Sturm, kein Gewitter. Auch selbst wenn es jetzt richtig regnen würde, könnte der Boden das Wasser nicht aufnehmen. Die Frauen haben es schon versucht, eine elektrische Pumpe geholt und den Generator mit Diesel gefüllt. Gebracht habe es nichts. Auf die Frage, wie es weitergehen soll, zuckt Tenimba Diakité mit den Schultern. „Obwohl die Ernten schlecht waren, hat der Staat in den vergangenen drei Jahren nichts gemacht. Es gibt keinerlei Hilfe, damit ich meine Familie ernähren kann.“

Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keita (IBK) ist am Samstag, zugleich Malis Unabhängigkeitstag, in seine zweite Amtszeit eingeführt worden. In seiner Rede erklärte er die „Herstellung der Sicherheit“ zur Priorität. Mali befände sich weiter im „Krieg gegenden Terrorismus“, sagte er und dankte den ausländischen Partnern, die Mali militärisch vom „Abgrund“ weggeholt hätten. Mit scharfen Worten kritisierte er dann, dass manche dieser Partner ihre Hilfe jetzt von Bedingungen abhängig machen wollten.

Malis Opposition erkennt IBKs Wiederwahl nicht an. Der Präsident hatte am 12. August die Stichwahl mit 67,2 Prozent gegen Oppositionsführer Souamila Cissé (32,8 Prozent) gewonnen. Cissé spricht von Unregelmäßigkeiten und ruft regelmäßig zu Demonstrationen auf. Am Freitag trieb die Polizei in Bamako Oppositionelle mit Tränengas auseinander und nahm mehrere Mitarbeiter Cissés fest; sie hatten angeblich geplant, die Amtseinführung zu stören, hieß es.

Wenn der Klimawandel die Erträge schrumpfen lässt, fördert das die Emigration. Da es rund um Kayes eine lange Tradition der Migration nach Frankreich gibt, können die jungen Männer dafür auf Strukturen und Kontakte zurückgreifen. Gleichzeitig erhöht das den Druck zu gehen. Einige erzählen, dass sie mitunter als Egoisten beschimpft werden, wenn sie bleiben wollen.

Arbeit, das sei der Wunsch aller Jugendlichen, sagt der 18-jährige Issiaha drüben in Somanikidi Coura. „Natürlich wollen wir unser eigenes Auskommen haben. Ich würde gern als Wirtschaftsexperte in einem Unternehmen arbeiten.“ Wenn im Dorf ein Auskommen möglich wäre, etwa mit Tierhaltung und in der Landwirtschaft, dann würden viele junge Menschen sogar bleiben, erlebt er in Gesprächen mit Freunden oft.

„Die Regenmenge kann man nicht ändern. Aber man kann Bauern besser beraten“, sagt Landwirtschaftsexperte Abdoulaye Sangaré. „Außerdem müssen wir Möglichkeiten entwickeln, Wasser besser zu speichern.“ Anstelle von Staudämmen würden kleine Systeme oft schon wirkungsvoll sein.

Sire Soumare ist von seinem Haus in Richtung Ufer gegangen. Er schaut den zukünftigen Fischzüchtern zu. „Seit 15 Jahren leben wir schon von unseren eigenen Ressourcen. Seit zwanzig Jahren kommt kein einziger Franc mehr zu uns aus Frankreich“, sagt er und lacht auf: „Als wir anfingen, haben wir Gurken angebaut und sie nach Kayes gebracht. Niemand wollte sie kaufen. Heute kann man mit Gurken ein Vermögen verdienen. Als wir über Bananen sprachen, hieß es: Ihr seid verrückt.“ Jetzt kommt die Fischerei. Es sei gut, sich auf Verrücktheit zu verlassen und nicht auf den Staat, findet der alte Mann. „Der hat sich doch in den letzten vierzig Jahren nicht geändert.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.