Malta setzt Solidarität perfekt in Szene

Mit zeitlichlicher Verzögerung darf die „Aquarius“ mit 141 Geflüchteten in Valletta anlegen. Vom dem Deal, wie die Menschen in Europa verteilt werden, profitiert auch die Insel

Geflüchtete an Bord der „Aquarius“ auf dem Weg nach Malta Foto: Guglielmo Mangiapane/reuters

Von Christian Jakob

Seit Tagen hatte das Rettungsschiff „MS Aquarius“ nur wenige Kilometer von Malta entfernt auf die Erlaubnis gewartet, einen Hafen ansteuern zu dürfen. Doch zwischen der Ankündigung von Maltas Regierungschef Joseph Muscat, die Einfahrt zu gestatten, und der tatsächlichen Ankunft der „Aquarius“ mit 141 Geretteten an Bord vergingen fast 24 Stunden: Erst am Mittwoch um 14.50 Uhr fuhr es in die Boiler Wharf – ein staatliches Gelände gegenüber dem Kreuzfahrtschiff-Terminal von Valletta – ein.

Vielleicht lag es auch daran, dass die Regierung von Malta es sich nicht nehmen lassen wollte, eine Pressetribüne für die wartenden Fotografen aufzubauen. Das „konkrete Beispiel für europäische Führung und Solidarität“, wie Muscat die Einigung nannte, sollte wohl entsprechend in Szene gesetzt werden. Der Deal: Die 141 Menschen von der „Aquarius“, die die NGOs SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen betreiben, werden Malta von fünf EU-Staaten abgenommen. Deutschland nimmt nach Angaben des Bundesinnenministeriums bis zu 50 auf, Spanien 60, Portugal 30, die Übrigen gehen nach Luxemburg und Frankreich.

Malta hatte die Gunst der Stunde genutzt: Dafür, sich als Anlaufstelle für die „Aquarius“ zur Verfügung zu stellen, sprang auch etwas heraus. Die Hälfte der 114 Menschen, die Maltas Küstenwache am Montag aus Seenot gerettet hatte, werden ebenfalls EU-intern umverteilt.

Was mit den Geretteten passiert, ist also halbwegs geklärt. Offen ist, wie es mit den Rettern weitergeht. Denn die letzten NGO-Schiffe, die nach Malta gekommen waren, hatte die Regierung in Valletta lahmgelegt: Seit Juni dürfen weder die „Sea Watch“ noch das Suchflugzeug „Moonbird“ oder das Rettungsschiff „Lifeline“ wieder zu einem Einsatz aufbrechen. Offiziell soll geprüft werden, ob mit den Registrierungen alles in Ordnung ist, beziehungsweise soll Libyen den Einsatz des NGO-Suchflugzeugs in seinem Luftraum „anfordern“. Wahrscheinlicher ist, dass Malta verhindern will, dass die Seeretter auslaufen und nach wenigen Tagen mit womöglich Hunderten Geretteten zurückkommen.

Der Ärzte-ohne-Grenzen-Geschäftsführer Florian Westphal sagte, mögliche Gesetzesverstöße müssten von Behörden geprüft werden können, „aber nicht so, dass der Eindruck entsteht, man wolle die humanitäre Arbeit lahmlegen“.

Was mit den Geretteten passiert ist geklärt. Offen ist, wie es jetzt mit den Rettern weiter geht

SOS-Méditerranée-Geschäftsführerin Verena Papke erinnerte am Mittwoch in Berlin daran, dass es „da draußen derzeit kein Rettungsschiff mehr im Einsatz“ gibt. Die einzige Ausnahme war die unter der Flagge von Gibraltar fahrende „Aquarius“. Der könnte es nun ähnlich ergehen: Das französische Magazin Le Marinberichtete, dass die Regierung von Gibraltar am 13. August ein Kommuniqué verbreitete. Demnach wurde der „Aquarius“ zur Auflage gemacht, die Rettungen einzustellen, weil es in Gibraltar nur als Vermessungsschiff registriert sei. Es ist möglich, dass Malta dies zum Vorwand nimmt, jetzt auch die „Aquarius“ zu blockieren.

Papke sagte, die „Aquarius“ sei zwar nicht in Gibraltar, aber bei der International Maritime Organization als Rettungsschiff registriert. „Das war seit zwei Jahren so und wurde nie beanstandet“, so Papke. „Fragt sich, warum das zu diesem Zeitpunkt als Problem gesehen wird.“ Unabhängig von der Registrierung sei ohnehin jedes Schiff zur Seerettung verpflichtet.

Gibraltar hat offenbar gedroht, dass die „Aquarius“ bis zum 20. August ihre Lizenz verlieren könnte. Dann müsste sie die Flagge des Landes annehmen, in dem ihr Reeder ansässig ist. SOS Méditerranee hat die „Aquarius“ bei der Bremer Reederei Jasmund Shipping gechartert. Der nächste Flaggenstaat wäre Deutschland. Das Schiff werde „sobald wie möglich wieder Rettungseinsätze fahren“, sagte Papke. Die NGO habe Beschwerde gegen den angedrohten Entzug der Fälle eingelegt. Sollte diese keinen Erfolg haben, werde das Schiff „wohl unter deutscher Flagge weiterfahren“.