Kommentar Salvini zum Brückeneinsturz: Ein Lehrstück in Schäbigkeit

Italiens Innenminister beschuldigt die EU, am Einsturz in Genua mitschuldig zu sein. Er hat das Problem allerdings selbst nicht behoben.

Matteo Salvini hebt den rechten Zeigefinger nach oben

Salvini wälzt die Schuld an einem Missstand ab, den er bisher selbst nicht mit Priorität beheben wollte Foto: reuters

Wenn etwas schlecht läuft in Italien, müssen Flüchtlinge oder Roma schuld sein. Und wenn es nicht die sind – dann ist es halt die ­Europäische Union. So einfach scheint die Welt nach Matteo Salvini, dem rassistischen und populistischen Innenminister ­Italiens. Wenn also wie am Dienstag in Genua ein Teil einer Autobahnbrücke in sich zusammenstürzt, diese aber zufällig nicht Teil einer Fluchtroute ist, dann muss Brüssel seinen Anteil daran haben.

Salvini erklärte noch am Dienstag, es seien die Stabilitäts- und Schuldenregeln der EU, die Italien hinderten, „das nötige Geld für die Sicherheit unserer Autobahnen auszugeben“. Während Rettungskräfte Verletzte und Tote bargen, ErmittlerInnen nach Ursachen forschten und Regierungschefs kondolierten, nutzte der Rechtspopulist die Katas­trophe also umgehend dazu, der Europäischen Union eine Mitschuld am Einsturz mit so vielen Opfern zu geben.

Was für ein Lehrstück in Schäbigkeit. Denn der Morandi-Brücke wird seit Jahren nachgesagt, dass sie baufällig sei – etwa von Experten wie Antonio Brencich, Professor an der Universität Genua. Er hatte schon vor zwei Jahren in einem Interview vor der Fehlkon­struktion der Brücke gewarnt. Gegen eine geplante Entlastungsstraße aber wehrten sich Politiker der Fünf-Sterne-Bewegung, die heute mit der rechten Lega die Regierung stellt.

Die italienische Polizei hat die Zahl der Todesopfer des Brückeneinsturzes von Genua am Donnerstag auf 38 präzisiert. Zuvor war von 39 Toten die Rede. Rettungskräfte waren seit dem Einsturz der Brücke am Dienstag bemüht, unter den Betontrümmern noch Überlebende zu finden. Experten schätzen die Chancen dafür inzwischen als sehr gering ein.

Eine lokale Gruppe schrieb schon vor Jahren auf der Website der Partei gegen die Trasse an, Fünf-Sterne-Gründer Beppe Grillo selbst ist in einem Video von 2014 zu sehen, wie er in gewohnt polternder Manier verlangt, das Projekt mit der Armee zu stoppen. Auch der Verkehrsminister blockierte das Vorhaben.

Es ist zu bezweifeln, dass Salvini ernsthaft darüber sprechen will, was Sparvorgaben aus Brüssel mit der Infrastruktur betroffener Länder anrichten – dabei wäre eine solche Diskussion auch im Sinne anderer Mitgliedsstaaten wie etwa Griechenland. Aber dafür ist nicht nur der Zeitpunkt falsch. Es müsste auch auf den Tisch kommen, dass Italien schon einige EU-Hilfen bezieht – und Kritiker immer mal wieder bemängeln, dass der Staat gar nicht alle Mittel abrufe.

Stattdessen wälzt der Rechte alle Schuld an an einem Missstand, den er bisher selbst nicht mit Priorität beheben wollte, auf die EU ab. Oder haben Sie gehört, wie Salvini den ganzen Sommer über die Infrastruktur sprach und sich richtig für Straßen und Brücken ins Zeug legte? Eben – das hat niemand. Schließlich war Salvini damit beschäftigt, Roma-Zählungen zu veranlassen, Hafen für Seenotretter zu blockieren und Flüchtlinge auf Rettungsbooten als „Menschenfleisch“ zu bezeichnen.

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*1985, seit November 2017 Redakteurin für europäische und globale Politik im taz-Auslandsressort. Hat seit 2014 immer mal wieder für die taz gearbeitet, meistens für das Ressort Wirtschaft und Umwelt, und schreibt gern über die EU und über Entwicklungspolitik.

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