Bremer Varietétheater GOP: Mit Kleid, ohne Knochen

Fünf Jahre nach der Eröffnung hat sich das Varietétheater GOP fest etabliert. Seine Show „Freaks“ vermeidet Voyeurismus und setzt stattdessen auf Artistik.

Drei Artisten auf der Bühne des GOP-Theaters.

Das Stück „Freaks“ überzeugt trotz einiger Peinlichkeiten mit Artistik Foto: GOP

BREMEN taz | Das Bezaubernde und das Peinliche liegen ja oft nah beieinander, gerade im Varietétheater, und erst recht, wenn es um „Freaks“ gehen soll. Da werden Erinnerungen an dunkle Zeiten dieser Kunst wach, in denen im Zeichen von Kolonialismus und Imperialismus das scheinbar Normale gefeiert und auf sogenannten „Abnormitätenschauen“ Kapital aus „lebenden Kuriositäten“ geschlagen wurde. Egal, ob es siamesische Zwillinge, Kleinwüchsige, indigene Menschen oder solche mit Fehlbildungen waren – sie wurden ausgestellt und hemmungslos beglotzt.

Natürlich entgeht die Show „Freaks“ im Bremer GOP-Theater dieser Gefahr, gleichzeitig kann es sich dieser Referenz aber nicht ganz entziehen. Die „Frau mit Bart“, die früher als „Affenfrau“ vermarktet worden wäre, darf hier also nicht fehlen, und sei auch – hihi! – als Mann im Kleid, der das heteronormative Weltbild festigt.

Ansonsten verzichtet die Show aber auf derlei Peinlichkeiten, sieht man vielleicht von dem Clown ab, der durch die Show führt und vor zotigen Witzen und einer gewissen Verächtlichmachung des Publikums nicht ganz zurückschreckt.

Zugleich aber glänzt das Varieté im GOP hier einmal mehr durch atemberaubende und faszinierende Artistik auf allerhöchstem Niveau und KünstlerInnen, die aus der ganzen Welt kommen. Daran hat man sich hier zwar mittlerweile gewöhnt, selbstverständlich aber ist es nicht.

Die „Frau mit Bart“ darf hier nicht fehlen – als Mann im Kleid, der das heteronome Weltbild festigt

Knapp fünf Jahre ist es her, dass das GOP in der Überseestadt ein Theater eröffnete, gleich neben einem Hotel, mit dem es gedeihlich zusammen arbeitet. Ihren Sitz hat die Varietékette in Hannover, mittlerweile gehören sieben Theater zum Betrieb, bald werden es acht sein – Hamburg kommt als neuer Standort dazu. Und so kommt „Freaks“ auch frisch aus Münster, wo das Ensemble insgesamt 78 Shows ablieferte, acht pro Woche.

In Bremen, wo GOP vier Millionen Euro investierte, arbeiten nach wie vor 100 Leute für das Theater, erwartet wurden 100.000 BesucherInnen im Jahr. Nun kommen im Durchschnitt sogar 120.000 Gäste pro Jahr, sagt Christine Sollmann, stellvertretende Direktorin des Bremer Hauses. Die durchschnittliche Auslastung liege bei rund 80 Prozent.

Zum Vergleich: In der letzten Spielzeit kamen rund 180.000 BesucherInnen ins das Theater am Goetheplatz. In der ersten Spielzeit des amtierenden Intendanten Michael Börgerding vor sechs Jahren waren es noch 156.000. Und das auf Boulevardtheater spezialisierte Packhaus­theater im Schnoor kam bei einer Auslastung von knapp 73 Prozent und knapp 500 Vorstellungen nach eigenen Angaben auf rund 65.000 BesucherInnen. Die abgelaufene Saison war die „wirtschaftlich erfolgreichste“, seit er vor 16 Jahren in Bremen angefangen habe, sagt der Theatermacher Knut Schakinnis, der auch das benachbarte Theaterschiff bespielt.

„Unser Kernpublikum kommt aus Bremen und umzu“, sagt Sollmann. Altersmäßig sei das Publikum „sehr durchmischt“, zudem gebe es viele Stammgäste, die mehrfach im Jahr kämen. Seinen Geburtstag will das GOP aber erst zur kommenden Show „Backstage“ so richtig feiern, die ab 29. August auf der Bühne zeigen soll, wie das Leben dahinter so ist.

Bis 26. August, Am Weser­terminal 4. Die Karten kosten zwischen 31 und 39 Euro

Natürlich werden hier im Varieté keine richtigen Geschichten erzählt, dafür ist das Ganze dann doch zu sehr Zirkus, zu szenisch arrangiert. Bei „Freaks“ finden sich dabei Figuren, die auch an das klassische Varieté erinnern, aber einen vor allem staunen lassen und eben einfach gut unterhalten.

Eine „Frau ohne Knochen“ gehört dazu, in diesem Fall die Neuseeländerin Bronwen Pattison. Oder die Schwertschluckerin Missa Blue – klar, das hat man anderswo schon mal gesehen, wahrscheinlich im Video, aber es ist eben doch viel beeindruckender, wenn es live geschieht.

Und sollten Sie jetzt an eine der Supertalent-Shows denken, die das Privatfernsehen hervorgebracht hat: Einer der beeindruckenden Acts des zweistündigen Abends, das ukrainische Sport-Akrobaten-Duo Vladimir & Vladimir, ist mit seinen lebensgefährlichen Handstandtricks mal in einer amerikanischen Supertalentshow groß rausgekommen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.