Die Wahrheit: Heile, heile, alles geil

Der Wahrheit-Hausbesuch: diesmal zu Gast bei Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in dessen Heimatstadt Hildesheim.

Hubertus Heil steht vor vielen Lichtern

Wolfgang-Hubertus Heil – erleuchteter Arbeitsminister Foto: dpa

Er ist cool, er ist hip, er wirbelt die Arbeitslosenmischpoke mal wieder richtig durch: Hubertus Heil. Doch was hat es eigentlich mit seinem neuen Teilhabechancengesetz auf sich? Die Wahrheit hat sich von Heil bei einem Hausbesuch in dessen Heimatstadt Hildesheim exklusiv nicht nur dieses Konzept erklären lassen.

Charmant lächelt Heil, der mit ganzen Vornamen eigentlich Wolfgang-Hubertus heißt, uns zu. Das Hemd ist weit aufgeknöpft, die Ärmel sind hochgekrempelt, die Schuhe gewichst. Sein lockerer, eleganter Look signalisiert sofort: Vorsicht, SPD! Freundlich bittet Heil uns herein. Es geht eine Wendeltreppe hinab Richtung Keller, an der Wand hängen Poster von U2, den Scorpions und Yung Hurn. Dann betreten wir den Hobbyraum, wie Heil sein Kämmerchen im Souterrain nennt. Es ist überraschend spartanisch eingerichtet. Teppichboden, Holzverkleidung an den Wänden, Gitarren, Schreibtisch und Leopardensitzecke: Basic, doch mit Stil, so wie Heil auch sich selbst gern beschreibt.

Hier ins Kämmerchen zieht er sich zurück, will er den Blick aufs große Ganze für einen Moment ruhen lassen und sich auf die Kleinigkeiten konzentrieren. Liegen gebliebene Post, Sudoku, die Steuer „oder einfach mal am Bass zupfen“, sagt Heil und zwinkert uns zu. Letzteres sei übrigens „keine Umschreibung für eine Schweinerei“, sondern „durchaus ernst“ gemeint. Bis Ende des Sommers wolle er die Bassline von „Beautiful Day“ draufhaben. Heil schnappt nach einer Gitarre, spielt abwechselnd zwei Töne auf der E-Saite. „Ich habe erst damit angefangen, nicht schlecht, was? Der Rest geht irgendwie so, Moment …“ Es folgen lose, unzusammenhängende Töne, Heil wippt mit dem Fuß. Es klingt ein wenig, als hätte man einen Geschirrspüler an einen Verstärker angeschlossen.

Chips in der Leopardensitzecke

Als wir uns zur Leopardensitzecke begeben, reicht uns unser bullig wirkendes Gegenüber Salzstangen und Chips. „Ich hab auch Bier da, ich kann’s holen, ist gar kein Problem“, sagt er lässig, „oder ein guter Rotwein?“ Man merkt: Heil hat seinen Gerhard Schröder gut gelesen, ihn studiert und in sich aufgesogen.

„Herr Heil, was ist ihre politische Vision?“, möchten wir wissen. „Ich will frischen Wind in den Laden bringen. Ich stehe für Bono statt Bach.“ Er leert eine Cola auf Ex, wischt sich den Mund mit dem Handrücken ab, fährt fort. „Politik war lange genug das Geschäft der alten weißen Männer. Jetzt sind mal die mittelalten dran, finde ich! Keks für Sie?“ Wir lehnen dankend ab.

Und wie ist das so, wollen wir wissen, als Arbeitsminister, in Zeiten der Digitalisierung und der globalen Märkte? „Spannend“, sagt Heil, „ich habe mich schon immer für Armut interessiert“. War der 45-Jährige eben noch ganz der Lebemann, so hat er jetzt, wo es um die großen Themen geht, beinahe etwas Staatsmännisches an sich. Er erinnert entfernt, sehr entfernt, an Helmut Schmidt.

Heil legt den Keks beiseite, lehnt sich in die Lehne seines Schreibtischsessels gegenüber unserer Leopardensitzecke. Es knatscht und knarrt, Heil stößt leicht an den Tisch, der Wackel-Willy-Brandt aus dem SPD-Fanshop fällt herunter. Weltmännisch blickt er hinaus, knapp über die Rasenkante hinweg in Richtung Horizont. Hier sitze er oft, erzählt er. Mit alten Freunden. Dann werde gespielt, über Gott und die Welt gesprochen.

„Sie spielen Schach, wie der Ex-Kanzler?“, fragen wir. „Nein, kein Schach. Jenga!“, sagt Heil und erklärt uns geschwind die Regeln: Aus Holzstäbchen baut man einen Turm. Abwechselnd müssen die Spieler eines der Holzstäbchen aus dem unteren Teil des Turms ziehen, um es oben wieder aufzulegen. Stürzt der Turm ein, während man am Zug ist, hat man verloren.

Ruine des Arbeitsmarkts

„Im Grunde“, sagt Heil, „ist das wie mit dem Arbeitsmarkt. Man muss an einer maroden, längst einsturzgefährdeten Ruine immer noch ein Steinchen aus dem Fundament rausklöppeln, ohne dass es komplett zusammenbricht, während man gerade an der Reihe ist.“

Ob er so auf das Teilhabechancengesetz gekommen ist? „Zum Teil, ja“, nickt Heil beflissen. Und wie erklärt er sein Gesetz den Leuten, die es betrifft? „Ganz einfach: Niemand will euch mehr haben, deswegen zahlen wir statt der Arbeitgeber euren Lohn. Also andere. Eben die paar wenigen in diesem Land, die noch eine richtige Arbeitsstelle haben. Genial, nicht wahr?“ Ob das nicht eine allzu wackelige Notlösung ist, wollen wir wissen, aber Heil winkt ab. „I wo! Das ist SPD-Politik. Wobei, insofern haben sie natürlich recht.“

Es läutet oben an der Tür, durch das schmale Fenster sieht man jetzt zahlreiche Füße über den Rasen trippeln. „Das ist meine Bürgersprechstunde, Sie entschuldigen.“ Der Minister holt eine Metallkasse aus der Schreibtischschublade hervor. „Alles frischgebackene SPD-Wähler“, sagt er stolz und drückt ersten Besuchern 50-Euro-Scheine in die Hand, ehe sie das Grundstück wieder verlassen. „Das ist doch das Schöne an unserer Methode der gesponserten Teilhabe: Sie lässt sich mühelos auch auf andere Problemfelder übertragen. Ist etwas überflüssig, schafft man Anreize, damit die Leute anspringen.“

Der Minister lacht triumphierend. „So kommt selbst ein lahmer Gaul wie unsere SPD wieder unter die Leute!“ Zum Abschied winkt uns Heil mit einem Bündel Geldscheine hinterher.

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