Kachelmann über Sommer-Aktion: „Ziemlich gerissene PR“

Der Meteorologe Jörg Kachelmann hält wenig von der Ankündigung der Berliner Stadtreinigung, die Straßen mit Wasser herunterzukühlen.

So könnte es doch noch klappen mit der Straßen-Erfrischung. Wasser marsch! Foto: dpa

Am Anfang stand ein Pressebericht über eine Aktion der BSR: Die hatte angekündigt, Spülwagen loszuschicken, um die große Hitze erträglicher zu machen. Twitterer verbreiteten die frohe Botschaft, freilich mit Skepsis gewürzt. Und Wettermann Kachelmann ließ wissen, dass er herzlich wenig von dieser tollen Idee hält. Warum eigentlich?

Herr Kachelmann, die Berliner Stadtreinigung hat angekündigt, des Nachts Wasser auf den Straßen zu verspritzen, um für Kühlung in der Stadt zu sorgen. Gute Idee?

Nein, das ist ganz großer Schwachsinn. Oder ziemlich gerissene PR.

Wie, gerissene PR?

In der Nacht zum Freitag zieht ohnehin eine Kaltfront über Berlin, die Luft wird sich also deutlich abkühlen. Vielleicht hat man bei der BSR ja diese Prognose gesehen und die Aktion zeitlich darauf abgestimmt. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass eine substanzielle Zahl von Menschen am Freitag die heroische BSR loben und preisen werden, weil sie diese Abkühlung vermeintlich mit dem Nassspritzen von ein paar Straßen geschafft hat. In der allgemeinen Absenz von naturwissenschaftlicher Bildung und Interesse werden viele Menschen das für möglich halten.

Aber dass verdunstendes Wasser Kälte erzeugt, habe ich auch mal gelernt.

Dieses bisschen Wasser, von dem hier die Rede ist, bringt überhaupt nichts. Null. Um eine substanzielle Verdunstungskälte herzustellen, müsste man Unmengen von Wasser nehmen, man müsste Berlin überschwemmen! Und auch dann würde es nur funktionieren, wenn die Luft trocken ist und noch viel Feuchtigkeit aufnehmen kann.

Das Verspritzen von Wasser hätte auch lokal überhaupt keinen Effekt?

Jörg Kachelmann, 60, ist Meterologe und betreibt den Informationsdienst kachelmannwetter.com.

Natürlich gäbe es einen messbaren Effekt. Um den zu wahrzunehmen, müssten sich alle mal auf die Straße legen und würden kurz ein paar Zehntel Grad Erleichterung verspüren, bis der Wind das wieder verteilt hat.

Man müsste theoretisch so viel Wasser verspritzen, wie bei einem Wolkenbruch herunterkommt. Danach merkt man ja schon einen Unterschied.

Ja sicher, aber das ist die kalte Luft aus dem Gewitter! Nicht die Verdunstungskälte durch den Regen.

Sie sehen, dass auch bemühte Laien sich an falsche Annahmen halten, weil sie vermeintlich so offensichtlich sind. Eine andere Analogie wäre die, dass ich mich durchaus abkühlen kann, indem ich mich befeuchte und das Wasser auf der Haut trocknen lasse.

Die BSR will ja nicht die Menschen nassspritzen, sondern die Straßen. Okay, vielleicht muss man es so sehen: Straßen sind auch Lebewesen, nach der Sache mit den Elfen auf der A2 halte ich alles für möglich. Vielleicht findet's die Straße ja supi, wenn sie mal kurz nassgespritzt wird, vielleicht ist die ganz dankbar dafür. Wer weiß. Ich sag's nochmal: Die Aktion ist einfach Schwachsinn oder aber gute PR, die mit der Ahnungslosigkeit des Bildungsprekariats baut. Oder noch eine dritte Möglichkeit: Wir haben zu viel Wasser und wollen das endlich loswerden. Halte ich aber für ziemlich unwahrscheinlich.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.