Mesut Özil und die Deutschen: Heimat Anatolien

Die Mehrheit der türkischstämmigen Deutschen fühlt sich eher der Türkei verbunden. Die Gründe dafür liegen bei der deutschen Mehrheitsgesellschaft.

Menschen in roten T-Shirts stehen im Hintergrund, Mesut Özil trägt ein graues Shirt und wendet sich ab

Özil ist integriert, aber nicht unbedingt akzeptiert worden Foto: reuters

BERLIN taz | „Ich bin froh, dass der Spuk vorbei ist. Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt.“ „Dass der DFB mit Rassismus in Verbindung gebracht wird, weisen wir in aller Deutschlichkeit zurück.“ Es sind Zitate wie diese von Uli Hoeneß, Präsident des Fußballklubs Bayern München, und des Präsidiums des Deutschen Fußballbundes, die zeigen, wie festgefahren der Umgang der deutschen Mehrheitsgesellschaft mit Menschen wie Mesut Özil ist. Özil, gerade als Spieler der Nationalelf zurückgetreten, fühlt sich als Mensch, der in Gelsenkirchen geboren wurde, von eben jener weißen Community nicht anerkannt.

Mit diesem Gefühl ist Özil nicht allein. Die Mehrheit der Deutschtürken, von denen Özil einer ist, sieht sich eher mit der Türkei verbunden als mit Deutschland, hat das Zentrum für Türkeistudien herausgefunden. 61 Prozent sagen der im Frühjahr veröffentlichten und jüngst aktualisierten Studie zufolge, dass sie sich emotional eher in der Türkei verorten als in Deutschland. Dieser Trend verschärft sich seit 2012 kontinuierlich, insbesondere in der zweiten Generation. Das irritiert insofern, da diese in Deutschland weitgehend integriert ist.

Grund dafür sei, so die Studie, eine mangelnde Wertschätzung der deutschen Mehrheitsgesellschaft gegenüber türkischstämmigen Frauen und Männern. Das widerspricht der These, dass sich gut integrierte Menschen automatisch mit Deutschland identifizieren. „Der Grad der Akkulturation spielt auch bei der Nachfolgegeneration eine eher untergeordnete Rolle“, heißt es dazu im Papier. Gleichzeitig fühlen sich gut 37 Prozent der Befragten eng mit Deutschland verbunden. Interessant ist ebenso, dass eine starke Religiosität mitnichten eine Hinwendung zur Türkei unterstützt – was gemeinhin angenommen wird.

In Deutschland leben knapp 2,8 Millionen türkischstämmige Frauen und Männer, von denen die Hälfte in Deutschland geboren ist und zur anderen Hälfte deutsche Staatsbürger*innen sind. Gerade weil sie, insbesondere viele Jüngeren, hierzulande gut integriert sind und von der deutschen Mehrheitsgesellschaft anerkannt sein wollen, reagieren sie „sensibler auf Nichtakzeptanz und Diskriminierung“. Zudem sehen sie wenig Perspektiven auf gesellschaftliche Anerkennung. Eine Folge dieser Abwertung ist eine Abwendung von Deutschland. Özil hat es vorgemacht.

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