Frauenmangel bei der Nord-CDU: Bauern suchen Frauen

Die CDU in Schleswig-Holstein hat ein Frauenproblem. Oder ein Männerproblem, jedenfalls fehlen ihr die Frauen. Dabei hatte Ministerpräsident Günther das Problem früh erkannt.

Die CDU-Politiker Niclas Herbst, Daniel Günther und Reimer Böge.

Herrenriege auf dem Landesparteitag der Nord-CDU im Juni: Europawahl-Spitzenkandidat Niclas Herbst (l-r), Ministerpräsident Daniel Günther und der Europaabgeordnete Reimer Böge Foto: dpa

NEUMÜNSTER taz | Schleswig-Holsteins Ministerpräsident und Landesparteichef Daniel Günther will seiner CDU zu einem Imagewechsel verhelfen: weg von „zu alt, zu männlich, zu ländlich“, hin zu „liberal und modern“.

Im Streit mit Horst Seehofer stellte sich der 45-Jährige auf die Seite von Angela Merkel, die Zusammenarbeit mit dem grünen Koalitionspartner läuft. Aber sein Ziel, die Partei vom alten, männlichen Image zu lösen, hat Günther bisher nicht erreicht. Wird überhaupt ernsthaft daran gearbeitet? Aktuell beschlossen ist nur eine Kommission, die sich dem Thema widmen soll. Die ersten Treffen sind nach der Sommerpause geplant.

Bei seiner Wahl zum Spitzenkandidaten im Herbst 2016 dia­gnostizierte Günther der Landes-CDU eine „eklatante Schwäche in den Städten“ und ein Defizit bei der Förderung von Frauen: „Eine CDU, die nicht mit Frauen antritt, ist auf Dauer nicht sexy“, sagte er damals der taz. Doch in der aktuellen CDU-Fraktion im Landtag sitzen weniger statt mehr Frauen, statt fünf sind nur noch vier von 25 Abgeordneten weiblich. Ihre Zahl wird von der der Landwirte übertroffen: fünf Abgeordnete, alle Männer.

„Nur mit gutem Willen wird das nichts“, sagt Katja Rathje-Hoffmann, Vorsitzende der Frauen-Union Schleswig-Holstein. „Wir brauchen Strukturen, die es Frauen leichter machen, sich zu präsentieren.“

In der Fraktion gibt es mehr Landwirte als Frauen

Also doch eine Quote? Als Günther im April laut darüber nachdachte, jede zweite Führungsposition weiblich zu besetzen, gab es Beifall, übrigens auch von der taz. Der jüngste Parteitag beschloss ein halbes Ja zur Quote: Appelle reichten nicht, zum Erfolg führten „nur feste und verbindliche Regeln“, heißt es in dem einstimmigen Beschluss.

Das Problem ist nur: Eine Quote bei der Listenaufstellung bringt nicht mehr Frauen in den Land- oder den Bundestag. Denn weil die CDU viele Direktmandate gewinnt, ziehen so viele direkt gewählte Abgeordnete in die Parlamente ein, dass KandidatInnen von der Liste meist gar nicht zum Zuge kommen. Es kommt also auf die Spitzenkandidatur an. In vielen Wahlkreisen aber gebe es „Erbhöfe“, bei denen ein Mandatsinhaber – männlich – einen Nachfolger – ebenfalls männlich – vorschlägt. Dort müsse sich etwas ändern, sagt Rathje-Hoffmann.

Sie selbst wurde durch einen Mann, den Kommunalpolitiker Joachim Miermeister, gefördert und in die Männerrunden geholt. Keine Selbstverständlichkeit in der Union, in der Geschlechterkonflikte bis in die Spitze eine Rolle spielen. Das sei auch am Streit zwischen Merkel und Seehofer deutlich geworden, so die Landtagsabgeordnete: „Die Geringschätzung, mit der sich der bayerische Ministerpräsident öffentlich über die Kanzlerin äußerte, war schon schlimm.“

Ein Führungsmitglied der CDU, das nicht zitiert werden möchte

„Zum Schinkenbrot essen einzuladen reicht einfach nicht“

Dass die CDU thematisch nichts für Frauen anzubieten habe, sei eine Legende, meint Jörg Hollmann, Geschäftsführer der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) der Landes-CDU. Und Chancen auf Spitzenposten hätten Frauen durchaus, siehe Angela Merkel oder Angelika Volquartz als erste Kieler Oberbürgermeisterin. Warum es also so schwerfalle, Frauen für Parteiarbeit zu begeistern? Vielleicht fehle ihnen die Zeit, „weil sie eben doch mehr Verantwortung für die Familie tragen“, mutmaßt Hollmann.

Oder weil die Art der Veranstaltungen an den Interessen von Frauen vorbeigehen? „Zum Schinkenbrot essen einzuladen reicht einfach nicht“, motzt jemand aus der Führungsriege der Partei.

Dreiviertel der CDU-Mitglieder sind Männer, vielerorts findet sich keine Frau in den Gremien. Aber es wird immer schwerer, Personen für Wahllisten und Posten zu finden. Die Hürden sinken aus reiner Not: „Vor 30 Jahren musste man Dankbarkeit mitbringen, wenn man in den Gemeinderat wollte“, sagt Ole Plambeck, Landtagsabgeordneter und Vorsitzender der KPV. „Heute sehen die alten Hasen, dass Nachwuchs fehlt. Keiner würde eine Frau verhindern, die sich engagieren will.“

Jüngere beiderlei Geschlechts

Nur wollen nicht so viele. Über Mentoring und Veranstaltungen versuchen die Frauen-Union und Kommunalpolitiker, Jüngere beiderlei Geschlechts und Frauen zu interessieren. „Nicht so leicht“, gibt Rathje-Hoffmann zu. Plambeck kann sich neue Formen der Mitarbeit vorstellen: „Vielleicht hilft es, wenn jemand Neues nicht in jedem Ausschuss sitzen oder ständig bei Veranstaltungen sein muss.“ Allerdings würde damit das Netzwerken wegfallen – fraglich, ob es dann genug Unterstützung gibt, wenn eine Frau sich um ein Amt bewirbt.

Manche in der CDU schielen teils neidisch, teils besorgt, in Richtung der Grünen, denen es gelingt, Frauen in Ämter und Funktionen einzubinden. „Jamaika ändert die Kultur in unserer Partei“, so ein CDU-Mitglied. Aber es herrscht offenbar auch Angst: „Es kann uns auch auf die Füße fallen, weil die Hemmschwelle sinkt, gleich grün zu wählen.“

Der Blick in andere Bundesländer hingegen dürfte nicht neidisch machen. Die niedersächsische Fraktionsvize Mareike Wulf etwa kritisierte am Montag eine mangelnde Kultur der Frauenförderung und forderte, der Landesverband solle sich mehr für Frauen öffnen. „In meiner Altersgruppe zwischen 30 und 40 Jahren gibt es bei 60.000 CDU-Mitgliedern gerade mal 800 Frauen“, sagte die Landtagsabgeordnete. Eine Quote lehnt sie jedoch ab.

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