Machtkampf in der Brexit-Phase: Jeremy Hunt wird Außenminister

Nach Rücktritten wichtiger Minister steht die britische Premierministerin Theresa May unter Druck. Der Nachfolger für Boris Johnson kommt aus ihrem Lager.

Theresa May sitzt neben Philip Hammond und Jeremy Hunt

Theresa May, der Schatzkanzler Philip Hammond und der neue Außenminister Jeremy Hunt Foto: reuters

LONDON dpa/ap | Nach dem Rücktritt des britischen Außenministers Boris Johnson im Streit über den Brexit hat Premierministerin Theresa May ihr eigenes politisches Lager gestärkt und damit Kampfeswille gezeigt. Die Regierungschefin machte den bisherigen Gesundheitsminister Jeremy Hunt zum neuen Außenminister, der vor dem Brexit-Referendum für den Verbleib der Briten in der EU geworben hatte. May will eine enge Verbindung Großbritanniens mit der EU erhalten und liefert sich mit den Brexit-Hardlinern in ihrer konservativen Partei einen erbitterten Machtkampf.

Hunt schrieb in der Nacht auf Twitter, es sei eine „riesige Ehre“, in dieser entscheidenden Phase der britischen Geschichte zum Außenminister ernannt zu werden. „Es ist Zeit, unserer Premierministerin dabei den Rücken zu stärken, einen großartigen Brexit-Deal zu bekommen – jetzt oder nie…“, schrieb er.

Boris Johnson, der wichtigste und prominenteste Brexit-Wortführer im Kabinett, war am Montagnachmittag zurückgetreten und hatte die britische Regierung damit neun Monate vor dem geplanten Austritt aus der EU in eine tiefe Krise gestürzt. Kurz zuvor hatte Brexit-Minister David Davis seinen Rücktritt angekündigt. Erst am Freitag hatte May ihre zerstrittene Ministerriege nach heftigen Debatten auf ihre neue Verhandlungslinie einschwören können – doch der auf einer Klausur geschlossene Burgfrieden hielt gerade mal zwei Tage.

Johnson begründete seinen Rücktritt damit, dass er die neue Linie nicht mittragen könne. „Der Brexit-Traum stirbt, erstickt von unnötigen Selbstzweifeln“, hieß es in seinem Rücktrittsschreiben an die Premierministerin. Wichtige Entscheidungen seien hinausgeschoben worden, einschließlich der Vorbereitungen für einen Brexit ohne Abkommen, schrieb Johnson. So werde Großbritannien zu einer „Kolonie“ der EU. May antwortete, sie sei „ein wenig überrascht“ von seinem Schritt, aber er sei folgerichtig, wenn Johnson die Haltung der Regierung nicht mittragen könne.

Minuten später würdigte May im britischen Unterhaus die Arbeit von Davis und Johnson, erklärte aber auch, dass es Unstimmigkeiten über den besten Weg zum EU-Austritt gegeben habe. Dieser Plan sei der einzige Weg, um eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland zu verhindern – dieser Punkt ist einer der schwierigsten in den Verhandlungen mit der EU.

Die Ernennung Hunts dürfte als ein Versuch Mays gewertet werden, das Machtverhältnis im Kabinett zu ihren Gunsten zu verschieben. Hunts Ressort übernimmt Matt Hancock, der bisher Minister für Kultur und Medien war. Zum neuen Kulturminister ernannte May den bisherigen Generalstaatsanwalt für England und Wales, Jeremy Wright.

Nicht mehr viel Zeit

Nach Mays Vorschlag soll Großbritannien bei Waren und Agrarerzeugnissen auch nach dem EU-Austritt eng an den europäischen Binnenmarkt gebunden bleiben. Die anderen drei Freiheiten des Binnenmarkts – Kapital, Arbeitskräfte und Dienstleistungen – sollen aber beschränkt werden. Damit wollen die Briten die ungehinderte Einreise von EU-Bürgern stoppen und im wichtigen Dienstleistungssektor eigene Wege gehen.

Eine der ersten Aufgaben des neuen Außenministers dürfte es werden, US-Präsident Donald Trump zu empfangen. „Der Präsident freut sich weiterhin auf seinen Arbeitsbesuch mit der Premierministerin am 13. Juli und darauf, das besondere Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien weiter zu stärken“, teilte Trumps Sprecherin Sarah Sanders mit.

Bis zum geplanten britischen EU-Austritt am 29. März 2019 verbleiben den Unterhändlern nicht einmal mehr neun Monate. Beide Seiten hoffen, sich bis Oktober einigen zu können, damit die Parlamente der verbliebenen 27 EU-Mitgliedstaaten ein Abkommen ratifizieren können, bevor Großbritannien den Staatenblock verlässt.

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