Versöhnungsgeste in der Elfenbeinküste: Madame Gbagbo kommt frei

Der Präsident der Elfenbeinküste amnestiert seine Gegner aus dem Konflikt von 2011. Damals wurde sein Wahlsieg militärisch durchgesetzt.

Simone Gbagbo im Gerichtssaal, hinter ihr ein Anwalt oder Richter

Simone Gbagbo vor Gericht in Abidjan, Mai 2016 Foto: reuters

BERLIN taz | Erst sprach Alassane Ouattara von Errungenschaften, dann von Problemen, dann vom dramatischen Frühjahr 2011, als mehrere Tausend Ivorer im Bürgerkrieg starben. Erst danach kam der Präsident der Elfenbeinküste in seiner Fernsehansprache vom Montagabend zum 68. Jahrestag der Unabhängigkeit zum Höhepunkt: eine Amnestie für rund 800 Staatsbürger, die in Zusammenhang mit der Krise von 2011 oder seitherigen Gewaltvorfällen verurteilt worden sind.

Er tue dies, „weil mir Frieden und eine wahrhafte Versöhnung wichtig sind“, sagte Ouattara und zitierte den Spruch des Staatsgründers Félix Houphouët-Boigny. „Für den Frieden ist kein Opfer zu groß.“

Die Amnestie betrifft wichtige Stützen des Regimes von Laurent Gbagbo, Präsident der Elfenbeinküste von 2000 bis 2011. Ende 2010 erkannte Gbagbo seine Wahlniederlage gegen Ouattara nicht an und harrte monatelang international geächtet aus, bis ein Volksaufstand, unterstützt von Rebellen und französischen Eingreiftruppen, ihn stürzte. In diesen Wirren starben über 3.000 Menschen – viele davon Opfer des Beschusses von Zivilisten mit Artillerie durch Gbagbos Armee.

Laurent Gbagbo wurde im Bunker seines Präsidentenpalastes in Abidjan verhaftet und an den Internationalen Strafgerichtshof überstellt, wo er bis heute vor Gericht steht. Seine Ehefrau Simone Gbagbo blieb in der Heimat in Gewahrsam und stand mehrmals vor Gericht.

Wortgewaltig und sturköpfig

Jetzt ist Simone Gbagbo, die neben ihrem Ehemann als wortgewaltige radikale Einpeitscherin galt, seine Entourage mit harter Hand organisierte und streitbar und sturköpfig auftrat, die prominenteste Nutznießerin von Ouattaras Amnestie. Sie sei „begeistert“, ließ ihr Anwalt am Dienstag wissen, nachdem er sie in der Gendarmeriezentrale von Abidjan besucht hatte. Am Mittwoch soll sie auf freien Fuß kommen.

Ihr Fall war der schwierigste der nach offiziellen Angaben 30 Gerichtsverfahren wegen der Krise von 2010–11, bei denen bislang insgesamt 149 Beschuldigte verurteilt und 33 freigesprochen worden sind – eine „Siegerjustiz“, wie Menschenrechtsgruppen sagen, denn es sind fast ausnahmslos Figuren des Gbagbo-Lagers.

Simone Gbagbo sei „begeistert“, ließ ihr Anwalt am Dienstag wissen, nachdem er sie in der Gendarmeriezentrale von Abidjan besucht hatte

Simone Gbagbo wurde 2015 wegen Aufstands und Verschwörung gegen den Staat zu 20 Jahren Haft verurteilt. Ein zweiter Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, der im Mai 2016 begann, endete im März 2017 mit einem Freispruch – aber am 27. Juli 2018 hob das Oberste Gericht den Freispruch auf.

Das ist nun alles Geschichte. Frei kommt jetzt auch Gbagbos ehemaliger Verteidigungsminister Moïse Lida Kouassi, der am 18. Januar zusammen mit anderen Gbagbo-treuen Exmilitärs wegen Verschwörung gegen den Staat zu je 15 Jahren Haft verurteilt worden war. Diese Beschuldigten waren nach Gbagbos Sturz nach Togo oder Ghana geflohen und hatten von dort aus versucht, Aufstände gegen Ouat­tara anzuzetteln.

60 Militärs, die selbst Gewaltverbrechen begangen haben sollen, bleiben inhaftiert – so Bruno Dogbo Blé, der einstige Kommandeur von Gbagbos Präsidialgarde, der gemeinsam mit Simone Gbagbo verurteilt worden war.

Vorbereitung auf die Wahlen 2020

Ouattaras Amnestie soll den Boden für eine politische Versöhnung bereiten. Die Gbagbo-treue Opposition hatte Ouattaras Wiederwahl 2015 boykottiert. Bei den nächsten Wahlen 2020 soll die politische Vielfalt der Elfenbeinküste besser auf dem Wahlzettel vertreten sein.

Noch ist offen, wie der Prozess gegen Laurent Gbagbo und seinen ehemaligen Jugendmilizenführer Charles Blé Goudé vor dem Internationalen Strafgerichtshof ausgeht. Die Verhandlung in Den Haag wird am 1. Oktober fortgesetzt.

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