Kommentar Kinder von Islamisten: Dschihadismus ohne Mindestalter

Radikalisierung kann am Küchentisch stattfinden. Die Warnung der Verfassungsschützer vor nachwachsenden Islamisten ist deshalb nicht abwegig.

Ein Kind mit Rucksack und Jacke

Wie sich ein Mensch entwickelt, entscheidet sich nicht erst ab dem 18. Lebensjahr Foto: Daiga Ellaby/Unsplash

Mehrere hundert Kinder und Jugendliche wachsen in Familien auf, die ein dschihadistisches Weltbild pflegen. Für sie ist der Heilige Krieg gegen Ungläubige eine Normalität, in die sie ganz selbstverständlich hineinwachsen. Die Verfassungsschutzbehörden warnen daher, hier könne eine Generation radikalisierter Islamisten heranwachsen, die nicht erst im Internet angefixt wird, sondern schon zu Hause am Küchentisch.

Die Warnung ist nicht abwegig. Je mehr sich eine Gruppe moralisch vom Rest der Welt abschottet, umso wahrscheinlicher werden auch Kinder „erfolgreich“ in diesem Sinne sozialisiert. Man kennt das auch von Scientologen oder Zeugen Jehovas.

Eine fundamentalistische Erziehung ist zwar kein ausreichender Grund, Kinder aus ihren Familien zu nehmen. Schließlich haben Kinder ein Recht auf ihre Eltern. Aber wenn es um Kinder und Jugendliche in Gruppen geht, die Gewalt als legitimes Mittel gegen Mitmenschen ansehen, sind sie zumindest ein Thema für den Verfassungsschutz.

Leider kann man nicht sagen, der Verfassungsschutz soll die Dschihadisten-Kinder in Ruhe lassen, bis sie volljährig und für ihren Extremismus selbst verantwortlich sind. Schließlich hat es gerade in Deutschland schon dschihadistische Anschläge durch Jugendliche gegeben. Die 15-Jährige Sabia S. hat 2016 in Hannover einem Polizisten mit dem Messer in den Hals ge­stochen. Zwei 16-Jährige haben im gleichen Jahr in Essen einen Sprengstoffanschlag auf einen Sikh-Tempel verübt.

Der Verfassungsschutz fordert nun keine neuen Überwachungsbefugnisse. Schließlich darf er seit 2016 bereits Jugendliche ab 14 überwachen; bei geplanten Straftaten sogar Kinder unter 14. Der Verfassungsschutz macht hier vor allem auf ein Problem aufmerksam.

Zur Frage, wie Lehrer und Sozialarbeiter am besten mit solchen Kindern umgehen sollten, sagt der Verfassungsschutz nichts. Zu Recht. Pädagogik gehört nicht zur Kernkompetenz von Geheimdiensten.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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