Vogelschlag an Glasfassaden: Viel zu viel Transparenz

Unzählige Vögel sterben, weil sie gegen Glasflächen fliegen. Der Senat will Bauherren aufzuklären, rechtlich hat er kaum Einfluss auf deren Entscheidungen.

Schnell mal rüberfliegen? Kann für Vögel schmerzhaft bis tödlich enden Foto: dpa

Glas ist ein Killer: Jeder zweite erwachsene Habicht, der in Berlin tot aufgefunden wird, ist beim Aufprall gegen eine Fensterscheibe umgekommen. Das besagt eine Erhebung des Naturschutzbunds Nabu, die die Umweltverwaltung in der Antwort auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Michael Efler zitiert. Gegenüber der taz bestätigt Rainer Altenkamp vom Berliner Nabu-Vorstand, dass Sperber und andere Greifvögel ähnlich betroffen seien. Und auch wenn exakte Zahlen fehlten, erlitten viele weitere Arten ebenso hohe Verluste durch Glas.

Über 100 Millionen Vögel fänden so jedes Jahr in Deutschland den Tod, schreibt die Senatsverwaltung – das wären 5 bis 10 Prozent aller Exemplare. Berlin habe daran „einen vergleichsweise hohen Anteil“, wegen seiner „Durchgrünung mit vielen Lebensräumen für Vögel und der dichten Bebauung, in der zunehmend Glas als Baustoff verwendet wird“.

Laut Altenkamp fehlt Vögeln die evolutionär verankerte „Erfahrung“ mit dem transparenten Baustoff, auch wenn sie durch nicht-tödliche Begegnungen damit erlernen können, die Gefahr zu vermeiden. Problematisch seien auch stark reflektierende Flächen, weil die Tiere etwa Spiegelbilder von Bäumen nicht als solche erkennen.

Auf Eflers Frage, was der Senat gegen Vogelschlag an Gebäuden unternehme, zählt Umweltstaatssekretär Stefan Tidow etliche Maßnahmen auf: Man stelle eine Broschüre zum Download bereit und habe die landeseigenen potenziellen Bauträger per Rundschreiben darauf hingewiesen. Die oberste Naturschutzbehörde spreche das Thema bei Bauherren und Architektinnen an, wenn „potenziell problematische Bauwerksplanungen bekannt“ würden.

Nicht durch Ecken blicken

Die Naturschutzbehörden der Bezirksämter würden geschult, problematische Bauwerke zu erkennen. Ihnen sei ein Musterbescheid zur Hand gegeben worden, um gegenüber Eigentümern Vermeidungsmaßnahmen durchsetzen zu können – wie die Verwendung von halbtransparentem Glas oder der Verzicht auf Ecken, durch die man hindurchblicken könne.

Über die Bauordnung lasse sich aber nichts bewirken: Bei deren Novellierung seien 2006 die bauaufsichtlichen Prüfprogramme stark reduziert worden. Für Altenkamp ein Hauptproblem: Im Baurecht herrsche heute das Motto: „Alles so schnell wie möglich“. Übrig bleibe die Hoffnung auf den guten Willen von Architekten und Bauherren. Gleichzeitig fehle es den Bezirksämtern an Mitteln und Personal, um rechtzeitig und mit Nachdruck auf die Problematik hinweisen zu können. „Für Bauherren wäre ein Umplanen gar nicht so teuer“, so Altenkamp, „aber das Ganze muss rechtlich verankert sein.“

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