EU-Pläne für Asylzentren: 6.000 Euro pro Flüchtling

In Papieren, die der taz vorliegen, nennt Brüssel Details für Lager in und außerhalb der EU. Staaten, die freiwillig aufnehmen, sollen Geld erhalten.

Flüchltingslager Idemoni: Mann hält Hand am Zaun

„Con­trolled Centers“ ist das neue EU-Schönfärbewort für Flüchtlingslager Foto: dpa

BERLIN taz | Einen Monat nach dem EU-Gipfel hat die Kommission konkrete Pläne für ­Asylzentren formuliert, die von der EU gemein­sam errichtet werden. Entsprechende Überlegungen gab es schon seit Jahren, doch in zwei sogenannten Non-Papers, also noch nicht ratifizierten Dokumenten, die der taz vorliegen, sind nun Details benannt.

Innerhalb Europas spricht die Kommission dabei von „Con­trolled Centers“. Die Idee: Flüchtlinge, die Europa erreichen, werden in diesen zentralisierten Lagern untergebracht. Dazu sollen die Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis Asylbeamte entsenden, die EU will Kosten für Betrieb und Versorgung der Flüchtlinge tragen.

Nach ihrer Ankunft in den Zentren soll die Grenzschutzagentur Frontex die Identität der Personen klären, die Polizeibehörde Europol einen Sicherheitscheck durchführen. Wenn die Ankommenden keinen Asylantrag stellen wollen, soll Frontex direkt die Abschiebung einleiten.

Stellen sie einen Asylantrag, dann sollen diese in den Zen­tren innerhalb von acht Wochen geprüft werden. Diese Prüfungen soll das EU-Asylbüro EASO koordinieren, durchführen sollen sie abkommandierte Asyl­beamte aus den Mitgliedstaaten. Nach einer Ablehnung soll die Abschiebung schnell erfolgen.

Die entscheidende Frage ist: Wird ein Antrag positiv entschieden – in welches Land kommt der Flüchtling dann? Die EU-Kommission in Brüssel will Staaten, die sich zur Aufnahme freiwillig melden, 6.000 Euro pro Flüchtling zahlen. Doch ob das reicht, ist fraglich.

„Ad hoc und ­temporär“

Die Controlled Centers sollen nicht unbedingt dauerhaft an festen Orten entstehen, sondern könnten „ad hoc und ­temporär“ dort eingerichtet werden, wo jeweils viele Flüchtlinge und MigrantInnen ankommen. Voraussetzung sei, dass der entsprechende EU-Staat dies – auf freiwilliger Basis – gestatte, heißt es in dem Papier. Offen ist, ob die Flüchtlinge interniert werden oder das Lager verlassen dürfen.

„Controlled Centers“ könnten zeitlich begrenzt eingerichtet werden

Die Kommission verweist darauf, dass die Controlled Centers Gewähr bieten, dass Asylverfahren einheitlich durchgeführt werden und die Aufnahmebedingungen dem EU-Recht entsprechen. Die Zentren sollen auch Sekundärmigration verhindern – also die Weiterreise von Migranten in andere EU-Staaten, so Brüssel.

In Italien und Griechenland hat die EU nach 2016 ähnliche Einrichtungen aufgebaut. Dort heißen sie Hotspots: Flüchtlinge sind eingesperrt, Menschenrechtsorganisationen haben Grundrechtsverletzungen dokumentiert, die Presse hat keinen Zutritt. Der Unterschied zu Controlled Centers: In den Hotspots wird nur die Identität der Flüchtlinge geklärt, Asylverfahren werden nicht durchgeführt, der Aufenthalt ist eher kurz.

Die Kommission will in einem Pilotprojekt ein Con­trolled Center mit 500 Plätzen „so schnell wie möglich“ errichten und dafür etwa 200 Beamte bereitstellen.

Das Pilotprojekt soll der Dublin-Reform nicht vorgreifen, heißt es in dem Papier. Seit Jahren sucht die EU nach einem Kompromiss für die Richtlinie, die bislang regelt, dass immer der Staat für einen Flüchtling zuständig ist, in den dieser zuerst eingereist ist. Bislang war keine Einigung in Sicht. Mit den Controlled Centers könnte die EU versuchen, das Problem zu entschärfen.

Papier bleibt ungefähr

Der Chef der Europäischen Stabilitätsinitiative, Gerald Knaus, forderte derweil, ein solches Aufnahmezentrum in Spanien einzurichten. „Derzeit kommen mehr Menschen über das Meer nach Spanien als nach Italien“, sagte Knaus der Welt (Bezahlschranke). „Warum richten Deutschland, Frankreich und die Niederlande nicht gemeinsam mit Madrid ein Aufnahmezentrum in Spanien ein?“ Anerkannte Flüchtlinge würden dann auf Deutschland, Frankreich, Spanien und die Niederlande verteilt. Knaus gilt als Vordenker des EU-Türkei-Abkommens.

Die EU plant indessen auch, gerettete Flüchtlinge außerhalb Europas, etwa in Nordafrika, abzusetzen. Hierfür hat sie ein Konzept für „regionale Ausschiffungs-Arrangements“ entwickelt. Das dreiseitige Papier bleibt allerdings weitgehend im Ungefähren. Gemeinsam mit dem UNHCR soll in Nordafrika der Schutzanspruch Geretteter geprüft werden. Ein Teil von diesen Menschen soll auf freiwilliger Basis in die EU gebracht werden. Ein reguläres europäisches Asylverfahren sieht das Konzept nicht vor. So will die Kommission Anreize vermeiden, sich auf die Reise zu begeben.

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