Kinder in Regenbogenfamilien: Es gibt kaum Unterschiede

Homosexuellen Paaren wird Kindererziehung nicht zugetraut. Dabei belegen zahlreiche Studien, dass es überhaupt keinen Grund zu Sorge gibt.

Berührende Hände auf einem Tisch: zwei Erwachsene und ein Kind

Studien zeigen klar: Regenbogenkindern geht es in der Regel gut Foto: dpa

MÜNCHEN taz | Gegenüber Regenbogenfamilien wird noch immer Skepsis gehegt. Unterstellt wird vor allem, dass sich Lesben oder Schwule nicht genauso gut wie heterosexuelle Paare um Nachwuchs kümmern könnten, die Kinder darum seelischen Schaden nähmen und keine sichere Identität finden könnten. Mal wird diese Skepsis offen und brachial etwa von Seiten der AfD oder christlichen Kreisen formuliert, aber auch in liberalen Schichten existiert die Vorstellung, dass Kinder zwingend Vater und Mutter für eine gute Entwicklung bräuchten.

Mit dem seit fast einem Jahr geltenden Recht, dass gleichgeschlechtliche Paare heiraten dürfen, wird die Zahl der Betroffenen vermutlich ansteigen, da Adoptionen dadurch erleichtert werden. Laut dem Statistischen Bundesamt gab es 2016 rund 9.000 Familien, bei denen die Eltern homosexuell, vor allem lesbisch waren, das betrifft rund 16.500 bis 19.000 Kinder in Deutschland.

Die meisten Kinder (46 Prozent) stammen aus heterosexueller Ehe, 42 Prozent werden in die gleichgeschlechtliche Familie etwa durch künstliche Befruchtung oder Leihmutterschaft hineingeboren, während 12 Prozent Adoptivkinder sind.

Doch wie geht es diesen Kindern tatsächlich? Fast alle wissenschaftlichen Studien der letzten 30 Jahre besagen, dass es keinen Grund zur Sorge gibt. „Es gibt kaum Unterschiede im Vergleich zu Kindern aus Vater-Mutter-Kind-Familien, was die psychische Entwicklung anbelangt“, sagt Pia Bergold, Psychologin am Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg (ifb), die im Jahr 2009 eine Studie zu dem Thema gemeinsam mit dem Staatsinstitut für Frühpädagogik veröffentlicht hat. Die Kinder aus Regenbogenfamilien schließen also Freundschaften, machen körperliche Erfahrungen und lösen sich irgendwann von ihren Eltern genauso wie Kinder von verschiedengeschlechtlichen Paaren. Auf die Schulnoten hat das Geschlecht der Eltern auch keinen Einfluss.

Ebenso wenig kommt es zu einer „Geschlechterverwirrung“, wie eine US-Studie von Rachel Farr, Psychologin an der University of Kentucky, kürzlich belegte. Die Kinder von homosexuellen Eltern zeigten hier genauso häufig ein für ihr Geschlecht typisches Spielverhalten wie Kinder von heterosexuellen Eltern. Frühere Studien hatten auch belegt, dass Regenbogenkinder nicht häufiger selber homosexuell werden als ihre Altersgenossen. „Egal welches Geschlecht die Eltern haben, es geht um die Qualität der familialen Beziehungen“, so Bergold.

Weniger Verhaltensauffälligkeiten

Doch die Regenbogenkinder können sogar Vorteile aus ihrer Familienform ziehen: In einer US-Langzeitstudie unter Leitung von Nanette Gartrell wurden Kinder aus lesbischen Familien von der Geburt bis zur Adoleszenz begleitet und diese hatten einen höheren Grad sozialer und akademischer Kompetenz als Teenager aus Hetero­familien. Sie waren gut angepasst, zeigten weniger Verhaltensauffälligkeiten wie ADHS, Aggres­sio­nen oder Delinquenz.

Auch die Bamberger Studie deckte auf, dass Regenbogenkinder sich partiell besser entwickelten, etwa ein höheres Selbstwertgefühl und mehr Autonomie besaßen. „Das liegt unter anderem daran, dass die Eltern sich sehr lange mit dem Thema beschäftigen, über künstliche Befruchtung der Adoption nachdenken müssen und darum die Kinder sehr erwünscht sind und geliebt werden“, erklärt Anna Buschmeyer, Soziologin am Deutschen Jugendinstitut (DJI). Und homosexuelle Eltern favorisieren laut soziologischen Studien das Modell der warm-modernen Fürsorge. Beide Eltern sorgen demnach für das Kind, nehmen sich viel Zeit und verzichten weitgehend auf öffentliche Betreuung.

Auf die Schulnoten hat das Geschlecht der Eltern auch keinen Einfluss

Dazu kommt, dass homosexuelle Paare oft gut gebildet sind und über ein höheres Einkommen verfügen. Auch das verbessert die Startbedingungen für Kinder erheblich. Dies ist umgekehrt auch ein Grund, warum etwa Kinder von Alleinerziehenden ein größeres Risiko für psychische Probleme haben.

Doch trotz dieser Fülle an Daten, die ziemlich eindeutig ausfallen, sind einige Psychologen nicht überzeugt. Das liegt teilweise an der Vaterforschung der letzten Jahre, die zeigte, wie wichtig Väter für die psychische Entwicklung von Kindern sind.

Aber auch die Theorien Freuds passen nicht zu den aktuellen Studienergebnissen in Sachen Regenbogenfamilien. Schließlich brauche laut Freud das Kind beide Geschlechter, damit es von der Mutter Einfühlung und Geborgenheit erfahre, vom Vater aus der Symbiose mit der Mutter befreit werde und in die Welt hinausgeführt werde.

Das Geschlecht spielt kein Rolle

Doch laut dem Schweizer Psychoanalytiker Udo Rauchfleisch ist diese Position heute unhaltbar, da am biologischen Geschlecht soziale Rollen festgemacht würden. Studien der renommierten Entwicklungspsychologin Ruth Feldman belegen etwa, dass das Gehirn von Vätern sensibel für Kindererziehung ist. Wenn sich Männer also um ein Baby oder Kleinkind kümmern müssen, dann schütten sie die gleichen Hormone (Prolactin und Oxytocin) aus wie Mütter. „Die moderne Bindungstheorie besagt, dass es zu einer guten Kindesentwicklung einer emotional verlässlichen Person bedarf, egal welches Geschlecht“, so Rauchfleisch.

Auch Anna Buschmeyer hält nicht viel von der Vater-Mutter-Theorie. „Auch zwei Männer oder zwei Frauen unterscheiden sich doch sehr stark in ihrer Herkunft und in ihrem Wesen. Davon profitieren die Kinder, solange die Eltern generell an einem Strang ziehen.“ Identifikationsfiguren des jeweils anderen Geschlechts suchen sich die Kinder dann aus dem familiären und weiteren Umkreis.

„Manchmal haben Kinder lesbischer Eltern auch Kontakt zu ihrem leiblichen Vater“, berichtet Buschmeyer. Bei anonymen Samenspenden ist das schwieriger und auch hadern manche Kinder mit dieser Ungewissheit. Allerdings können auch Tanten und Onkel, Lehrerinnen und Lehrer oder die Großeltern als gender-spezifische Vorbilder dienen.

Ein Risiko gibt es dennoch: Stigmatisierung. In einigen Studien zeigten Kinder aus Regenbogenfamilien schlechtere Werte in ihrer Entwicklung, wenn sie Anfeindungen erfahren hatten. Zumeist beginnen die Hänseleien mit dem Schulbeginn, rund jedes zweite Kind aus einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft hat Mobbing erfahren müssen. „Darum sollte das Thema sexuelle Vielfalt in der Schule vermehrt behandelt werden“, fordert die Psychologin Pia Bergold.

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