Tour de France: Der Gipfel der Gipfel

Er ist der wohl berühmteste Radsportberg der Welt. Hinter dem Anstieg hinauf nach L’Alpe-d’Huez stecken 21 mythische Spitzkehren.

Rennradfahrer fahren einen Berg hoch

Schöner Ausblick, doch die Radrennfahrer leiden Foto: dpa

LA ROSIÈRE taz | 2.100 Wohnwagen, etwa 800.000 Leute, darunter zwei niederländische Polizisten – das alles ist L’Alpe-d’Huez. Der wohl berühmteste Radsportberg der Welt besteht aus 21 Kehren, die selbst kleine Heiligtümer sind. Denn in jeder dieser Kehren bei der Tour de France steht der Name eines der Etappensieger. Weil der Gipfel inzwischen mehr als 21 Mal befahren wurde, müssen sich die ersten Sieger bereits die Ehre teilen. Zu Fausto Coppi, dem Auftaktsieger im Jahre 1952, gesellte sich 2001 Lance Armstrong. Coppi war da schon 41 Jahre tot, er konnte also nicht gefragt werden.

Im Jahre 2014 hatte Bürgermeister Jean-Yves Noyrey mal die Idee, die Armstrong-Kurven vom Namen des Dopers zu befreien. Noyrey fand aber offenbar im Gemeinderat keine Mehrheit. „In den Kurven stehen die Namen der Sieger so wie einst“, erklärt auf Nachfrage der Chef des Tourismusbüros auf der Alpe, François Badjily.

L’Alpe-d’Huez steht also auch zu den Sündern unter seinen Siegern – eine Haltung, die einer sakralen Institution des Radsports durchaus würdig ist. Welche Kehre würde sonst noch Namen tragen? Die Kurven 2 und 3 sind Pantani gewidmet. Nummer 11 ist benannt nach Bernard Hinault, der einmal frech eine Urinabgabe verweigerte. Peter Winnen, geehrt in den Kurven 13 und 15, gab 2009 gemeinsam mit dem Kollegen Steven Rooks, Kurve 9, in einer TV-Show Doping zu. All diese Namen stehen dort weiterhin. Manchmal, so hört man, wird das eine oder andere Schildchen abmontiert, nicht von Sauberkeitsfanatikern, sondern von Souvenirjägern.

Erst die Fans machen L’Alpe-d’Huez zum ultimativen Radsportberg. Rein vom Profil ist der Gipfel nicht der furchtbarste. Die Maximalsteigung beträgt „nur“ 13,8 Prozent, der Zoncolan in Italien und der Angliru in Spanien mit über 20 schlagen ihn da locker. Die Anstiege zum Col de la Madeleine und Col de la Croix de Fer, die heute vor L’Alpe-d’Huez bezwungen werden müssen, sind mit 25,3 und 29 Kilometern etwa doppelt so lang wie die berühmten 13,8 Kilometer.

Alleinsein kann man hier nicht

Die Berühmtheit von Alpe-d’Huez erklärt sich am ehesten damit, dass bei der Tour-Erstbefahrung erstmals auch TV-Kameras auf Motorrädern dabei waren und legendäre Bilder von der Alpenlandschaft schossen. Das Örtchen gibt der Tour die Kehren mit dem Pa­noramablick, bekommt dafür exzellente Werbung und vor allem Touristen in der sommerlichen Nebensaison. Initiatoren der Ersterklimmung waren zwei Gastwirte und ein lokaler Künstler.

Der Künstler, Jean Bartaglia, hatte einem Artikel in der kommunistischen Zeitung L’Humanité zufolge die Idee. Die beiden Gastwirte streckten dem Emissär des damaligen Tourchefs Jacques Goddet umgerechnet 3.000 Euro entgegen – und fertig war der Deal. Man muss dazu bemerken: Knapp zwei Jahrzehnte zuvor konnte der Vater des einen Gastwirts das Restaurant nur deshalb vom Touring Club de France erwerben, weil dessen Pächter an Einsamkeit zu verzweifeln drohte.

Diese Gefahr besteht nicht mehr. Wer das Alleinsein sucht, der meide diesen Berg. „Bis eine Million Besucher sind für die Etappe avisiert, der größte Teil davon in Alpe-d’Huez“, erzählt Tourismus-Chef Badjili. In Kurve 7 stehen sogar zwei Cops aus Holland.

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