Das Deutschlandspiel in Schweden: Mittsommer ist wichtiger

Die Schweden sind sportbegeistert. Das Spiel gegen Deutschland fiel aber auf die Sonnenwendfeier. Das Ergebnis ist da Nebensache.

Mann mit blauer Perücke, Schwedenfahne und bangem Blick

Diesen Schweden-Fan in Frankfurt am Main nahm das Spiel stärker mit als die in Upsalla Foto: dpa

UPPSALA taz | Die Straßen sind leer. Als stünde die Zombieapokalypse unmittelbar bevor. In Uppsala ist kaum ein Auto unterwegs, wie an einem Sonntag während der Ölkrise. Nur vereinzelt sieht man Menschen in der Stadt. Es ist still, nahezu alle Lokalitäten sind hinweislos geschlossen. Am Samstag nach dem 21. Juni wird Mittsommer gefeiert, der längste Tag des Jahres.

Digitale Werbetafeln zählen den Countdown bis zum Anpfiff runter, ansonsten deuten höchstens ein paar Männer mittleren Alters in gelben Trikots vor dem Eingang einer Sportsbar darauf hin, dass die Schweden in ihrem zweiten Vorrundenspiel der Fußball-WM auf Titelverteidiger Deutschland treffen.

Eigentlich sind die Skandinavier sportbegeistert. Aber es ist Mittsommer und in Schweden kommt die Bedeutung der Sommersonnenwende der des Weihnachtsfests nahe. Die Leute strömen aus den Städten raus in die Natur, verbringen den Tag mit der Familie. Man trifft sich zum traditionellen Tanz, es ist ein Fest heidnischen Ursprungs voller Folklore. Viele läuten so ihre Sommerferien ein.

Da kommt so ein Fußballspiel vielleicht ungelegen – oder fügt sich das bestens in die Festivitäten ein? Das wird sich wohl die Waage halten, glaubt eine Deutsche auf der Terrasse eines der wenigen geöffneten Lokale, einem Irish Pub: „Wer Fan ist, freut sich freizuhaben. Die anderen geben sich wohl eher der üblichen Schlemmerei hin. Aber bei vielen läuft dass Spiel sicher nebenbei mit.“ Sie lebt seit fünf Jahren hier, die meisten anderen Gäste des Pubs werden wohl auch Zugewanderte sein: Wer Wurzeln hat in Schweden, ist draußen auf dem Land.

Trikot und Blumenkranz

Trotzdem brummt der Laden, vor allem der Innenraum strahlt in gelb und blau: Plüschene Vikingerhelme, Jerseys, Schals. Der Look des Abends, zu finden bei ein paar jungen Gästen: Sverige-Trikot und Blumenkranz im Haar, letzterer gehört modisch wie traditionell unabdingbar zum Mittsommer.

Als es los geht stehen Gäste nur eines Tisches auf, um die Hymne mitzusingen. Der Rest isst und lacht. Bloß nicht zu viel Aufmerksamkeit den zahllosen Monitoren in der Sportsbar widmen. Die Stimmung ist gut, bestens gar, aber der aus deutschen Kneipen bekannte Lärmpegel bleibt zu jeder Zeit aus. Keine Pöbeleien, kaum Gegröle, geflucht wird nicht, fast höflich anmutender Szenenapplaus wird gespendet wo angebracht, und sollte doch mal ein aufgebrachter Schwedenfan reklamierend aufspringen, hat er schon beim Zurückfallen in den eigenen Stuhl das Lächeln zurück im Gesicht.

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An einen Sieg glauben wohl die wenigsten, auch die Fußballexperten des Landes hielten sich zurück. Hier und da wurde sogar von deutscher Rache für das 4:4 im vorletzten Aufeinandertreffen geschrieben; solche Rachegefühle, die gibt es auf dem Platz nicht. Schwedische Tageszeitungen widmeten sich am Samstag eher noch den Politika rund um die deutsche Mannschaft.

Scheißegal

Als dann das Tor für die „Tre Kronor“ (Drei Kronen) fällt braust die Stimmung kurz auf. Es wird, so weit im vollen Pub möglich, getanzt, gesungen, gelacht. Dann wird aber auch weitergegessen. So auch die Reaktion auf das deutsche 1:1. Notiz genommen, Nachschub bestellt.

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Als Toni Kroos in der Nachspielzeit das Spiel entscheidet, sind die Gemüter für einen Moment sichtlich gedrückt. Mancher senkt den Kopf auf den Tisch, verschränkt die Hände dahinter. Jetzt mit einem Tysk, einem Deutschen, reden? „Too soon.“ Es bleibt aber beim kurzen Augenblick der Trauer, schnell weicht sie wieder einer gelassenen Atmosphäre. Es ist schließlich Mittsommer. Ob das die Stimmung für das Fest versaut? Kaum. „Aber ich trinke lieber, wenn ich fröhlich bin“, lacht der Barkeeper, als sich die Bar langsam leert.

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