Bildungsprojekt Street Univercity: „Es gibt großes Potenzial auf den Straßen“

Die Street Univercity wolle Jugendlichen ohne Perspektive eine Alternative zu Selbstzerstörung und Drogenmissbrauch aufzeigen, sagt Gió di Sera

Gió di Sera vor seinem Kunstwerk

Setzt sich seit zehn Jahren für sozial benachteiligte Jugendliche ein: Gió di Sera Foto: Miguel Lopes

taz: Herr di Sera, gerade feierte die Street Univercity ihr 10. Jubiläum. Hätten Sie gedacht, dass es das Projekt so lange geben würde?

Gió di Sera: Natürlich hofft man als Künstler mit einem neuen Projekt nicht in die Leere zu schießen. Trotzdem habe ich nicht erwartet, dass wir so lange bleiben. Ich habe es einfach ausprobiert und es hat funktioniert.

Was genau macht denn die Street Univercity?

Wir bieten verschiedene Workshops im Bereich Medien, Kunst, Street Culture, Politik und Sport an. Die Jugendlichen, viele kommen von der Straße, können sich ausprobieren und dann schauen, was sie interessiert. Bei einem Projekt etwa konnten sie ihre Arbeiten aus einem Kunstworkshop im Berliner Stadtmuseum ausstellen. Am Ende erhalten sie ein Zertifikat und ihren Master of Street Univercity.

Auf welche Erfolge können Sie zurückblicken?

Zu einem unserer größten Erfolge zähle ich, dass inzwischen sehr viele ähnliche Projekte in Berlin und im Ausland initiiert worden sind. Damit haben wir eine unserer zentralen Missionen erfüllt. Natürlich haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Menschen wegweisende Ideen zu geben. Viele unserer AbsolventInnen sind jetzt fest im Arbeitsleben angekommen.

Gió di Sera, geb. 1964 in Neapel, wohnt seit 1986 in Berlin. 2006 gründete er zusammen mit Erhan Emre und Martin Kesting die Street Uni­vercity, die zwei Jahre später ihre Arbeit aufnahm.

Wie kam es damals zur Idee einer Straßenuniversität?

Gió di Sera, Projektgründer

„Wir aktivieren die Jugendlichen“

Ich merkte, dass es ein großes Potenzial auf den Straßen Berlins gibt, das darauf wartet, genutzt zu werden. Wir wollten den Jugendlichen eine Alternative zu Selbstzerstörung und Drogenmissbrauch aufzeigen. Deshalb haben wir uns überlegt, eine Institution zu schaffen, die das leistet. Und damit sich alle Jugendlichen darin wiedererkennen können, haben wir sie Street Univercity genannt.

Sie sind eine außerschulische Bildungseinrichtung, welchen Wert hat dieses Zertifikat denn im echten Leben?

Einerseits ist es natürlich nur ein Stück Papier. Andererseits wissen wir, dass es sehr wertvoll für viele Unternehmen ist. Es zeigt nämlich, dass die Jugendlichen die Bereitschaft aufbringen, an sich zu arbeiten und sich weiterzuentwickeln. Natürlich können wir nicht dafür sorgen, dass jede/r AbsolventIn den Sprung ins Arbeitsleben schafft. Aber das Zertifikat ist vergleichbar mit einer Starthilfe. Wir aktivieren die Jugendlichen.

Ihr Motto ist „trust yourself“. Doch wie gibt man abgehängten Jugendlichen Selbstvertrauen zurück?

Die Gesellschaft suggeriert vielen, dass sie Loser sind. Sie haben keinen Schulabschluss, gehören einer Minderheit an. Wir zeigen ihnen, dass sie sehr wohl ihren Platz in der Gesellschaft haben. Umso wichtiger ist es, den Jugendlichen hier positive Vorbilder und local heroes zu zeigen, mit denen sie sich identifizieren können.

Was ist Ihr Vorhaben für die nächsten zehn Jahre?

Die Street Univercity ist mein Lebensprojekt, und deshalb möchte ich sie in die Welt tragen. Nächstes Jahr wollen wir zeitweise in Neapel eine Straßenuniversität anbieten. Jetzt müssen wir nur die Finanzierung klären und weitere DozentInnen finden. Parallel dazu soll es nach New York gehen.

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