Diskussion um Quote: Zeit für mehr Ossis

Ostdeutsche sind in Spitzenpositionen unterrepräsentiert. Über Ursachen und Lösungen machte sich „Die Zeit“ mit ihren LeserInnen in Leipzig Gedanken.

Besucher der Veranstaltung mit Stimmzetteln.

Quote für Ostdeutsche ganz oben? „Die Zeit“ ließ abstimmen Foto: Nadine Zilliges

LEIPZIG taz | Nein, damit hatte nun wirklich keine rechnen können: Gleich bei der ersten Publikumsbefragung sind die einer Ost-Quote nicht abgeneigten grünen Stimmkarten nicht in der erwarteten deutlichen Unterzahl – sondern stehen fast pari mit den roten Gegenstimmen. Und dann sagt Reiner Haseloff auch noch: „Es wäre für die Westdeutschen nicht gut, wenn sie bleiben, wie sie sind.“

Die Wochenzeitung Die Zeit hatte zur Diskussion geladen – und in Hamburg-Winterhude hätte sich der Saal spätestens nach dem Spruch des sachsen-anhaltischen Ministerpräsidenten vermutlich deutlich geleert. Doch die Zeit hat schon seit Längerem den Osten entdeckt, legt dort eigens eine Zeit im Osten bei und hatte nach Leipzig geladen. Man blieb also brav sitzen in der Aula der Uni und beriet, ob es sie braucht, die Quote für Ostdeutschland. „Das geht bis in VIP-Listen irgendwelcher Veranstaltungen hinein, auf denen wir schlicht nicht draufstehen“, quatschte sich Haseloff haarscharf am Thema vorbei, denn darum ging es so direkt natürlich nicht.

Doch klar bleibt: Ossis sind republikweit unterrepräsentiert, wenn es – mit Ausnahme der Politik – um die höheren Positionen und Posten im Staate und erst recht in der freien Wirtschaft geht – Medien inklusive.

Für diesen Part stand MDR-Intendantin Karola Wille vorne neben Haseloff. Disclaimer: Ich war 2016/17, als Wille als Vorsitzende den Sack West-Flöhe namens ARD zu hüten hatte, ihr Sprecher. Und genau um die Rolle beziehungsweise Verantwortung der öffentlich-rechtlichen Medien ging es, weshalb Haseloff auch noch mal sein „Die Öffentlich-Rechtlichen sind Westfernsehen geblieben“ intonierte. Leider hat er damit mehr als ein bisschen recht, womit wir wieder auf dem Zeit-Hometurf Hamburg wären, diesmal allerdings eher in Lokstedt. Dass es in den übergreifenden ARD-Strukturen wie „ARD aktuell“ (HH-Lokstedt) oder beim Hauptstadtstudio relativ gesehen deutlich zu wenige Menschen mit Ostbiografie gibt, geht auch Karola Wille gegen den Strich.

Angleichung dauert zu lange

Sie immerhin hat’s geschafft, mit enormem persönlichem Einsatz und gegen bei der Veranstaltung ein bisschen zu deutlich verschwiegenen Widerstand. „Es war nicht Quote, sondern in den Gremien des MDR schon die bewusste Entscheidung, jemandem aus dem Osten zu nehmen“, erinnerte sich Haseloff an Willes erste Wahl 2010 und vergaß dabei, dass sich dafür zuvor eine komplette Wessi-Mannschaft um die damals tonangebende sächsische Staatsregierung durch allzu ungeniertes Durchregieren-Wollen in den Orkus schießen musste.

Wie dem auch sei: Die Angleichungen zwischen Ost und West dauern zu lange, nicht nur bei ARD und ZDF. Wenn der Osten nur als Hüter schlimmer Gesinnungen präsent ist, prägt das nun mal das Bild. Und man vergisst glatt, dass die AfD in Hessen gegründet wurde und auch in Bayern zweistellig ist. „Der Aufstieg der Ostdeutschen findet nicht statt, obwohl es ihn gibt“, fasste Professor Lars ­Vogel von der Uni Leipzig das Dilemma zusammen: „Man erlebt ihn nicht mit – und als Konsequenz sagen die Menschen: Das klappt nicht.“

Wenn der Osten nur als Hüter schlimmer Gesinnungen präsent ist, prägt das nun mal das Bild

Die Quote, so Vogel, könnte also helfen – auch wenn ihr Wille und Haseloff schon aus formaljuristischen Gründen kaum Chancen einräumten. Den kleinen Wermutstropfen der Veranstaltung steuerte Vogel auch noch bei: „Eliten rekrutieren sich aus sich selbst.“

Und die waren auch überwiegend gekommen, um mit sich selbst zu diskutieren. Ob man Verständnis haben dürfe für die Wut, die eher mal nicht im Saal vertreten war, fragte die von der Zeit-Stiftung-Stiftung und der Uni Leipzig mit veranstaltete Runde denn auch noch. Ähnliches hatte die Zeitschon mit Blick auf Dresden jüngst debattiert. Die Antwort auch hier ein mehrheitliches „Ja“, was die Zeitwohl auch mit Blick auf ihre bürgerlichen OstleserInnen ganz okay fand. Denn natürlich war der Abend ein Stückchen Marketing in eigener Sache. Von dem sich die Öffentlich-Rechtlichen übrigens gern mal inspirieren lassen dürfen.

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