Die Wahrheit: Liebesbrief an einen Kopfsalat

Einmal im Jahr wird bekanntgegeben, was Hotelgäste alles in ihren Zimmern zurücklassen. Es sind einige mehr als ungewöhnliche Gegenstände …

Regenschirme. Unterhosen. Dildos. Das sind keine ungewöhnlichen Dinge, die Gäste im Hotel vergessen. Aber es gibt andere, bei denen man sich fragt, was für Menschen die schusseligen Eigentümer wohl sind.

Das Unternehmen Jurys Inn veröffentlicht jedes Jahr eine Liste von Dingen, die Gäste in den 28 Hotels der Kette zurückgelassen haben. Im Schnitt sind es 65.000 Objekte. An der Spitze stehen Ladegeräte, das ist langweilig. Handys, Shampoo und Brillen sind es auch. Was aber hat der ältere Herr gefrühstückt, dass er sein fehlendes Gebiss nicht bemerkte? Ein weich gekochtes Ei? Gibt es bei Jurys nicht, die Eier sind immer hart.

Keineswegs langweilig ist ein Schlüssel für einen nagelneuen Ferrari. Nahm der Eigentümer versehentlich die Straßenbahn? Oder ist er ein Angeber, der in Single-Bars Frauen beeindrucken wollte? Warum ein nie getragenes Hochzeitskleid im Hotelzimmer hängen geblieben ist, lässt sich erahnen. Wenigstens blieb dem Fast-Bräutigam das Schicksal des verstorbenen Ehemannes erspart, dessen Witwe die Urne mit seiner Asche im Hotel vergaß.

Ein englischer Geschäftsmann ließ Rupert, einen fünfzig Jahre alten Teddybären, in einem Hotel in Aberdeen zurück. Am nächsten Tag schickte er seine Sekretärin aus London mit einem Privatflugzeug nach Schottland, weil er ohne das Stofftier nicht schlafen konnte. Manchmal findet das Hotelpersonal auch lebende Tiere wie den Scottish Terrier namens Taggart, der nach dem Polizisten Jim Taggart in der gleichnamigen Krimiserie benannt wurde. Apropos Fernsehen: Ein Autor ließ ein fertiges Serienmanuskript im Hotelzimmer liegen. Angesichts des drögen Fernsehprogramms wünscht man sich, das würde öfter passieren.

Filmreif klingt dagegen das Bündel von 40 Liebesbriefen, das ein Hotelangestellter unter einem Bett fand. Der Gast hatte die Briefe an einen Kopfsalat geschrieben und darin seine sexuelle Obsession offenbart. Das Objekt seiner Begierde hatte er aber nicht hinterlassen. War es bereits verwelkt?

Bei einem Drittel der zurückgelassenen Gegenstände handelt es sich um Sexspielzeug, darunter war auch ein aufblasbares Schaf. Gehörte das womöglich demselben Gast, der die mit Svarovski-Kristallen besetzten Gummistiefel vergessen hat? Bauer sucht Frau?

Warum wurde die Mürbe­gebäck-Nachbildung von Ben Nevis, dem höchsten schottischen Berg, nicht gegessen? War der Bastler volltrunken, als er sein aus Bierdosen gebautes riesiges Modell des Ungeheuers von Loch Ness zurückließ? Und wie ist der Gast weitergereist, dessen Beinprothese samt Schuh im Hotel gefunden wurde?

Auf all diese Fragen gibt es keine Antworten, denn Hotel-angestellte dürfen vergessliche Gäste nicht zu Hause anrufen. Frau Miller könnte sonst erfahren, dass ihr Mann gar nicht mit seinem Chef auf einer Vertreterkonferenz in Dublin war, sondern sich in einem romantischen Hotel mit einem aufblasbaren Kopfsalat vergnügt hat.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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