Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Menschenfeindliche ARD-Schalte, Bismarck statt Trump und eine Statistik-Bionade aus dem Hahn. Dazu die Frage, ob Cannes verboten werden sollte.

Trump im Profil, wie er in ein Mikrofon zu schreien scheint

Trump erinnert erneut an Hochdruckstümper Wilhelm II., der Bismarcks Vertragsgeflecht grandios zerlegte Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?

Friedrich Küppersbusch: In der ARD-Schaltkonferenz werden Randalierer beim HSV-Abstieg als „Abschaum“ und „keine Menschen“ bezeichnet.

Und was wird besser in dieser?

Bundesligapause.

Nun hat Trump also den Atom-Deal mit dem Iran aufgekündigt. Israel und Iran bombardieren sich derweil im Golan und in Syrien. Was wohl als Nächstes passiert?

„Ein Flächenbrand“, UN-Generalsekretär Guterres. „Es geht wahrlich um Krieg und Frieden“, Angela Merkel. Verglichen mit dem Viermächtestatus, der Deutschland endlich befriedete, stehen in Syrien ein Dutzend Interessenten Schlange, keinesfalls mit den jeweils anderen zu reden. Trump spielt Mikado mit dem Baseballschläger; das Signal, Verhandlungen zu ächten und Verträge zu brechen, macht alle Toten zu den Toten aller. Erneut erinnert Trump an unseren Hochdruckstümper Wilhelm II., der Bismarcks feinädriges Vertragsgeflecht grandios zerlegte und, siehe oben, Flächenbrand. Allerdings gibt es eine Mehrheit von Staaten, die keine territorialen und strategischen Interessen in Syrien haben. Die zu organisieren wäre der „weiße Ritter“. Und mehr Steinmeier als Maas.

Offiziell macht Europa zwar bei Trumps Neuauflage der Iran-Sanktionen nicht mit. Aber der droht nun, europäische Firmen zu sanktionieren, die mit Iran Geschäfte machen. Was sollen wir tun?

Deutschland exportiert Waren im Wert von 3,4 Milliarden Euro in den Iran – und 111 Milliarden in die USA. Spannende Frage, für welchen Kunden sich die Wirtschaft langfristig entscheiden wird. Kurzfristig werden Firmen im Iran-Geschäft nach dem Staat rufen, langfristig einknicken und gegenüber der Bundesregierung Trump-fromm daherargumentieren. Maas, dann Altmaier, dann Merkel reisen standrechtlich diese Woche nach Moskau, um dort zu erklären, dass das ja wohl voll der totale Zufall sei und man keineswegs andeuten wolle, künftig mehr Business mit Russland zu machen. Außerdem führe man gute Gespräche über mehr Business mit Russland. Die russische Seite wird gern bereit sein zu reden: über den Abbau der Sanktionen gegen Russland. Also: Das sieht nach einer Lose-lose-Partie aus. Makabrer Trost: Will Merkel hier die EU zusammenhalten, kann die EU Merkel wuchtiger fragen, was ihr das denn so finanziell wert wäre. Macron formuliert das feiner.

Trump spielt Mikado mit dem Baseballschläger; das Signal, Verhandlungen zu ächten und Verträge zu brechen, macht alle Toten zu den Toten aller

Aus dem Berliner Exil verzichtet der katalanische Ex-Regionalpräsident Puigdemont auf seine Wiederwahl für das Amt des katalanischen Regierungschefs. Ob es ihm im Berghain zu gut gefällt?

Puigdemonts Strategie: Aufgeben, ohne aufzugeben. Passt, ist ja auch der inoffizielle Claim der Stadt Berlin.

Eine 36-jährige Frau wird in Berlin-Spandau von einem 67-jährigen Mann nach ihrem Kopftuch gefragt. Als sie antwortet, sie sei Muslimin und trage dieses gern, schlug er ihr offenbar mit der Hand ins Gesicht. Warum plant noch niemand eine Soli-Demo, zu der wir alle im Hidschab gehen?

Aus Sorge, sie könnte mit einer Solidaritäts-Kippa-Demo kollidieren und jedenfalls in Bayern präventiv eingekesselt werden.

Das Filmfest in Cannes hat in diesem Jahr so einiges verboten: den Stars die Selfies auf dem roten Teppich, den Jour­na­lis­t*innen, die Filme vorab zu sehen, um über sie zu schreiben, sowie Netflix- und Amazon-Produktionen im Pro­gramm. Sollten wir nicht vielleicht einfach mal Cannes verbieten?

Es begann mit Kritik an Putins Hausarrest für einen Regisseur, Altmeister Godard legte einen Katalonien-Bezug nach und #MeToo soll ordentlich demonstriert werden. Das erlaube ich hiermit alles.

Trinkwasser aus dem Hahn wird immer teurer in Deutschland. Sollten wir wieder mehr Bier trinken?

Ja, um uns die Meldungen über das „immer teurere Trinkwasser“ schönzutrinken. Die Grünen hatten eine süffige Statistik-Bionade zusammengerührt aus Zahlen, die teils aus der Umwelt-, teils aus der Verbraucherpreiserhebung stammen. Es folgte eine Springflut von Schwafelwasser der Geschmacksnoten „Immer teurer“ – „Leicht gestiegen“ – „Grundpreise seit 2010 unverändert“. Eine korrekte Schlagzeile hätte heißen können: „Trinkwasser ungefähr so wie Inflationsrate, gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen. Prost!“

Der ESC in Lissabon ist zu Ende gegangen und Netta Barzilai hat gewonnen. Wie finden Sie den Song?

Wie fünf verschiedene Süßigkeiten gleichzeitig im Mund. Die Sängerin kommt durch die Tür, die für Beth Ditto verbreitert wurde; die Anliegen „Verschiedenheit“ und „Respekt“ leiden nicht darunter, geradeaus kalkuliert zu sein. 100 Stunden Strafhören für Kollegah.

Und was machen die Borussen?

Verabschieden sich untumultuös aus einer sozialdemokratischen Saison: stark anfangen und am Ende froh, dass man noch mitmachen darf.

Fragen: Maha, AW

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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