1. Mai in Berlin-Grunewald: „Wo eine Villa ist, ist auch ein Weg“

Gegen Kreuzberger Protestfolklore: Die Hedonistische Linke mobilisiert zu einer 1.-Mai-Demo in den wohlhabenden Berliner Stadtteil Grunewald.

Bahnhof Grunewald

Start- und Endpunkt der Demo: Bahnhof Grunewald Foto: dpa

BERLIN taz | Auf die Frage, ob Berlin-Grunewald – eine der wohlhabendsten Gegenden der Hauptstadt – ein Problemviertel ist, hat Robert Rating eine eindeutige Antwort: „Ja.“ Die Begründung folgt auf dem Fuße: „Wir haben das Gefühl, dass sich da gefährliche Parallelgesellschaften bilden, Eigentum in unvernünftiger Menge angehäuft ist und die gesellschaftliche Kommunikation durch Zäune versperrt wird.“ Und weil er das so sieht, hat Robert Rating das „Quartiersmanagement Grunewald“ mitgegründet.

Am 1. Mai wollen Rating und seine MitstreiterInnen das Zielgebiet begehen. Dafür haben sie bei der Polizei für 14 Uhr mit Startpunkt S-Bahnhof Grunewald eine Demo durch das Viertel angemeldet („Wo eine Villa ist, ist auch ein Weg“). Seit dem Wochenende hängen die Mobilisierungsplakate beim Zielpublikum in Berlin-Kreuzberg und -Neukölln.

Auch eine Website ist online – als Unterseite des Internetauftritts der Hedonistischen Internationalen. Das selbst ernannte „Quartiersmanagement Grunewald“ versteht sich als Teil dieses Netzwerks aktionistischer linker Gruppen und Einzelpersonen, so Rating. Er selbst ist Kontrabassist und Sänger der Chanson-Punk-Band The Incredible Herrengedeck.

Musik und Politik, meist mit satirischem Unterton – dafür stehen sowohl die Band als auch die Hedonisten. In den Aufrufen zur Demo wird das offensichtlich: „Mai-Randale in Grunewald“ ist eines der Plakate in Aufmachung eines Boulevardblatts überschrieben; vorbei an „eleganten Immobilien“, möchte man „besonders dekadent raven“.

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Angekündigt sind neben Ratings Herrengedeck auch die in Szenekreisen bekannten Musiker Paul Geigenzähler und Punkrock MC. Unterstützung kommt zudem von einem Urgestein der anarchistischen Kulturszene, Jan Theiler, bekannt als Pastor Leumund, Mitbegründer der Bergpartei. „Wir wollen die Protestfolklore durchbrechen“, antwortet er auf die Frage, warum die Linken ihr angestammtes Kreuzberger Habitat dieses Jahr verlassen. Sie seien die „Vorhut“, langfristig könnten die „Randalierer, Protest- und Sauftouristen“ aus SO36 folgen.

Pastor Leumund

„Wir wollen die Protestfolklore durchbrechen“

Dass es den VeranstalterInnen nicht nur um ihren Spaß geht, liegt auf der Hand. Als politische Demonstration werden sie auf zwei Lautsprecherwagen die Bedingung von einem Redeanteil von mindestens 50 Prozent erfüllen; und, so ­Rating: „Unsere musikalischen Beiträge sind auch Ausdruck einer politischen Meinungsäußerung“.

Schon oft hat Ratings Band bei politischen Veranstaltungen gespielt, er selbst arbeitet in der Nachbarschaftsinitiative „Dragopolis“, für ein soziales Dragoner-Areal. Mit dem Umzug durch den reichen Westen fordern die Veranstalter laut Rating, „eine neue Immobilienpolitik, die auch die Eigentumsfrage thematisiert“. Das passt ins Bild einer stadtpolitischen Szene, die sich demnächst der Enteignung des Immobilienkonzerns Deutsche Wohnen widmen will.

Lange linke Tradition

Abkoppeln von der Szene will man sich dabei nicht: Anvisiert ist ein Ende um 17 Uhr, damit die TeilnehmerInnen es rechtzeitig zur Revolutionären 1. Mai-Demo schaffen. Der Gang nach Grunewald steht aber, unabhängig vom 1. Mai, in einer langen linken Tradition.

1981 und 1989, zum Höhepunkt der Hausbesetzerbewegung, gab es zwei große Demos, jeweils von Zusammenstößen mit der Polizei begleitet. Ende der 1990er zog das gentrifizierungskritische Netzwerk InnenStadtAktion, nach Grunewald („Sprengt doch den Rasen“), später protestierte die „Initiative Bankenskandal“ um FU-Professor Peter Grottian. Letztes Jahr besuchte das Bündnis „Zwangsräumung Verhindern“ renitente Vermieter.

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