Lehrer über Verfassungsschutzsprüfung: „Keinerlei Hang zum Extremismus“

Benedikt Glasl hat im Studienverband der Linkspartei gegen Studiengebühren gekämpft. Nun bezweifelt der bayerische Verfassungsschutz seine Eignung als Lehrer.

Jemand streckt seine Hand hoch, um sich zu melden, im Hintergrund sieht man eine Tafel

Bayerische Anwärter für den öffentlichen Dienst müssen Fragen zur Verfassungstreue beantworten Foto: dpa

taz: Herr Glasl, Sie sind ja ein ganz schöner Revoluzzer, wie man so hört.

Benedikt Glasl: Nein, gar nicht. Aber der Verfassungsschutz denkt das offensichtlich von mir, weil ich in meiner Jugend Mitglied beim SDS war.

Eine Jugendsünde also?

Aus heutiger Sicht würde ich es so sehen. Aber es hat zu der Zeit gepasst. Mir ging es ja vor allem um den Kampf gegen Hochschulgebühren. Und zu dem Ziel stehe ich noch heute.

Die sind ja nun auch in Bayern abgeschafft worden.

Und Horst Seehofer hat das ja selbst neulich als einen seiner großen politischen Erfolge bezeichnet. Ich bin also in guter Gesellschaft.

Die Eltern Ihrer Schüler brauchen also keine Angst zu haben, Ihnen ihre Kinder anzuvertrauen?

Nein, ganz bestimmt nicht. Ich finde es auch merkwürdig, dass hochschulpolitisches Engagement, das auf dem Boden des Grundgesetzes erfolgt ist, im Nachhinein als etwas Schlimmes dargestellt wird. Wir streben doch gerade eine Gesellschaft an, wo sich alle politisch betätigen und mitmachen sollen. Dieses Ziel verfolgen wir ja auch an den Schulen.

34, hat Sozialkunde, Deutsch, Geschichte und Sport studiert. Zurzeit befindet sich der Münchner im ersten von zwei Jahren seines Referendariats in München-Hadern. Beamter darf er bis auf Weiteres aber nicht werden.

Also noch mal von vorn: Zum Beginn dieses Schuljahrs sollten Sie eigentlich an der Mittelschule an der Guardini­straße in München Ihr Referendariat antreten, aber dann …

… habe ich kurz vor der Vereidigung eine E-Mail von der Regierung von Oberbayern bekommen, dass Zweifel an meiner Verfassungstreue bestünden.

Was war da Ihr erster Gedanke?

Ich war schockiert. Aber dann bin ich mehrere Tage in mich gegangen und habe mein politisches Engagement von damals Revue passieren lassen. Ich habe überlegt, ob ich denn irgendwas gemacht habe, was nicht mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen wäre. Aber es gab da rein gar nichts.

Die „Linksjugend Solid“, zu der der SDS gehört und in der Sie bis vor einem Jahr auch Mitglied waren, ist laut bayerischem Verfassungsschutz extremistisch und will das Privateigentum an Produktionsmitteln abschaffen. Haben Sie das gewusst?

Ganz so ist es, glaube ich, nicht. Es geht um Vergesellschaftungen in bestimmten Fällen. Aber bei Solid bin ich nur Mitglied geworden, um auf der Landesversammlung für eine entsprechende Geldvergabe an den SDS stimmen zu können. Sonst hatte ich mit denen nichts zu tun. Und da ich die Linke als verfassungskonform ansehe, bin ich davon ausgegangen, dass dasselbe auch für die Parteijugend gilt.

Wie hat man die Zweifel an Ihrer Person bei Ihnen an der Schule aufgenommen?

Mit völligem Unverständnis. Die kannten mich schließlich und wussten, dass ich keinerlei Hang zum Extremismus habe und auch das System nicht unterwandern möchte. Aber die meisten dachten, das sei eine Formsache, die sich in vier ­Wochen erledigt haben würde.

Sie haben dann erst mal sechs Monate lang unbezahlt an Ihrer Schule hospitiert.

Genau. Im Januar habe ich dann schließlich eine Vorladung zur Einzelfallprüfung be­kommen, also zu einer An­hörung bei der Regierung. Das war ein mehrstündiges Gespräch, bei dem ich alle Zweifel an meiner Verfassungstreue ausräumen konnte. So wurde mir das schriftlich bestätigt, aber der Verfassungsschutz blieb bei seinen Einwänden. Deshalb habe ich dann trotzdem einen negativen Bescheid bekommen. Gegen den klage ich jetzt.

Und wie ging es an der Schule weiter?

Zunächst sollte dann auch die Hospitation enden, aber das konnte mein Anwalt mit ­einem Einstweiligen Rechtsschutz verhindern: Das Ver­waltungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass der Verfassungsschutz gegen Artikel 12 des Grundgesetzes verstoßen hat, wonach ich ein Recht darauf habe, meine Ausbildung zu ­beenden. Daraufhin hat man mir jetzt ein Angestellten­verhältnis in Aussicht gestellt.

Finden Sie es grundsätzlich in Ordnung, dass bayerischen Anwärtern für den öffentlichen Dienst ein Fragebogen zu ihrer Verfassungstreue abverlangt wird?

Zu Zeiten, als es in Deutschland einen Kampf gegen linken Terrorismus gab, hatte das vielleicht eine Berechtigung. Aber heute ist das doch überkommen. Es ist ja bezeichnend, dass es diese Überprüfung nur noch in Bayern gibt.

Vor Gericht kämpft nun Benedikt Glasl gegen den Freistaat Bayern. Klingt gewaltig. Fühlen Sie sich noch daheim in diesem Freistaat?

Ja, ich hege keinen Groll. Ich bin hier geboren, ich bin hier aufgewachsen und fühle mich hier wohl. Dass im Verwaltungsapparat was schiefläuft, kann immer mal passieren. Ich hoffe jetzt nur, dass sich die Sache in Wohlgefallen für alle Seiten auflöst.

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