Kommentar Islamdebatte: Der Islam gehört nicht zu Deutschland

Horst Seehofer hat nichts Falsches gesagt. Es gibt eine Menge Gründe, weshalb das so ist. Einer liegt in der schlicht fehlenden Repräsentanz von Muslimen.

Ein Kopftuch gilt noch immer als Hindernis im deutschen Jobmarkt Foto: dpa

Dieser Satz markierte die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vom Mittwoch: „Der Islam ist ein Teil Deutschlands geworden“.

Natürlich musste sich Merkel zum Islam positionieren, Seehofer sei Dank. Der frischgebackene Innenminister beziehungsweise Heimatmuseumsdirektor stieg gleich mit dem Reizwort Islam („gehört nicht zu Deutschland“ in den Ring). Damit reiht er sich ein in die Liste hervorragender, deutschstämmiger Islamexperten: Herr Schäuble, Herr Wulff, Herr Dobrindt und sogar die Bundeskanzlerin.

Was die eine Seite mit „Igitt, Islam“ überschreibt, übernimmt die Gegenseite mit einem anderen Gestus. Jaja, Islam und so, wir geben es dem Seehofer, beruhigt euch. Im Feuilleton werden gern bevorzugt migrantische Islamgegner und Islamversteher zu Wort gebeten – so als wäre die Religion ein Bundesligaspiel mit zwei Mannschaften. So weit, so redundant.

Womit Seehofer aber faktisch recht hat: Der Islam gehört tatsächlich nicht zu Deutschland. Zumindest nicht, so lange seine Anerkennung als Körperschaft wie die jüdische Gemeinde, die Kirchen und die Zeugen Jehovas noch aussteht. Und so lange sich die Jungs in den Islamverbänden lieber untereinander streiten, als darüber nachzudenken, wie die Zukunft des Islams in Deutschland, wohlgemerkt: ohne die Einmischung der geldgebenden islamischen Staaten, aussehen kann, wird der Islam nicht zu Deutschland gehören. Und solange in den Vorständen der konservativen Islamverbände nur Männer sitzen, die ihrerseits gegen liberale Kräfte wüten, wird Deutschland nicht auf den Islam hören.

Wenn hier Moscheen brennen und das die Mehrheit im Land nicht interessiert, wenn tolle Frauen mit Kopftuch keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben und Feminismus nur von und für Frauen aus der Mittelschicht mit abgeschlossenem Studium gilt. Wenn Seehofer und die CSU Rassismus als „Islamkritik“ dekorieren und wir tagelang darüber reden, statt mit den Schultern über diesen armen Mann zu zucken, – dann gehört der Islam wirklich nicht zu Deutschland.

Geht Seehofer in die Kirche? Dobrindt in die Synagoge? Das hat niemanden zu interessieren. Solange aber Besuche von Freitagsgebeten mit ernst gemeintem Augenrollen – auch bei progressiv links denkenden Menschen – quittiert werden, gehört der Islam nicht zu Deutschland.

Schauen Sie mal in die Reihen der Wortführer in der Islamdebatte. Schauen Sie in die Redaktionen Deutschlands, ins Kabinett der Bundesregierung, in den eigenen Freundeskreis. Muslime? Fehlanzeige. Solange sich das nicht ändert, hat Seehofer leider recht.

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Jahrgang 1973, Chefin vom Dienst im Lokalteil der taz. Studierte Publizistik und Turkologie an der FU Berlin.

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