Medien und Künstliche Intelligenz: Lokaljournalismus von Robotern

Anstatt von Journalisten könnten Texte in Lokalredaktionen künftig von Bots geschrieben werden. Doch das birgt eigene Risiken.

Ein Roboterkopf versteckt unter künstlicher Haut

Ein Roboterkopf versteckt unter künstlicher Haut Foto: ap

Lokalredaktionen sind die Bienen des Journalismus: Während ihr Massensterben beklagt wird, scheint niemand in der Lage, die Misere zu beheben. In Deutschland verschwanden in den letzten Jahren 30 Prozent der Stellen – die Lokalredaktionen als triste Räume, in denen nach und nach die Schreibtische verschwinden.

In Großbritannien sieht die Realität noch trister aus, seit 2005 sind knapp 200 Publikationen eingestellt worden, Premierministerin Theresa May sprach kürzlich von einer Gefahr für die Demokratie.

Deshalb sollen Lokalredaktionen der Zukunft anders sein, wenn es nach der britischen Presseagentur Press Association geht. Ein vorgestelltes Projekt namens Radar, Reporters and Data and Robots, malt dank Finanzspritze von Google ein anderes Bild: Räume, die zwar ähnlich menschenleer sind, aber in denen wie von Geisterhand betrieben Tastaturen klackern und Artikel generieren. Zauberwort: künstliche Intelligenz.

Textbots sind nichts Neues. Neun europäische Presseagenturen arbeiten mittlerweile mit automatisch generierten Texten. Insbesondere Finanz- und Sportnachrichten werden von den Robotern übernommen. In Deutschland betreibt die Stuttgarter Zeitungeinen Feinstaubmonitor, bei Correctivwird eine Übersicht über Pflegeheime vom Algorithmus erstellt.

Datenwühler Robojournalist

Diese datenbasierte Herangehensweise treibt auch den Bot von Radar an, der sich allerdings nicht mehr durch Sporttabellen und Börsenkurse frisst, sondern sich das statistische Material der Region vornimmt. „Die große Chance liegt darin, auch große Datenmengen individuell zu erschließen. Themen, über die man vorher kaum berichten konnte“, sagt Prof. Dr. Thomas Hestermann von der Macromedia-Hochschule.

Auch in San Francisco verfolgt ein Projekt namens Hoodline einen ähnlichen Ansatz. So können schnell und einfach Artikel erstellt werden, deren Überschriften sich dann etwa so lesen: Die Hälfte aller frischgebackenen Mütter in Wolverhampton sind unverheiratet.

Diese Meldung zeigt aber auch die Probleme auf: Nicht nur, dass die tatsächlichen Zahlen nur bei Weglassung anderer Parameter und Aussagen eine solche Lesart zulassen. „Verhängnisvoll ist, wenn man den Computer als autonomes Instrument begreift. Die Entscheidungsmuster werden von Menschen angelegt und nur maschinell ausgeführt“, sagt Hestermann. Und auch die Daten werden nicht im neutralen Raum gewonnen.

„In jedem Fall müssen Menschen Daten auf ihre Plausibilität prüfen und die Schlussredaktion bei maschinell erstellten Texten übernehmen“, sagt Hestermann. Eine größere Bedrohung von Stellen, als es das Aussterben der Branche ist, stellt er also nicht da. „Roboterjournalismus ist kein Allheilmittel, sondern nur ein Instrument.“ Vielleicht ein Aufatmen für Journalist*innen, die entgegen der Bienen nicht vom Aussterben, sondern vom Stellenmangel bedroht sind.

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