Kommentar Hartz IV und niedrige Löhne: Zweifelhafte Berechnungen

Hartz-IV-Empfänger haben mehr Geld als Arbeitende, sagt der Steuerzahlerbund. Das ist falsch – genau wie die Idee eines guten Lebens mit ALGII.

Viele Euroscheine liegen übereinander

Hartz IV ist keineswegs ein bedingungsloses Grundeinkommen Foto: dpa

Hartz-IV-Empfänger haben oft mehr Geld zur Verfügung als Arbeitnehmer – zumindest wenn man Berechnungen des Steuerzahlerbunds für die FAZ glaubt. Das Beispiel geht von einer vierköpfigen Familie mit zwei Kindern in ALG II aus, die monatlich etwa 1.930 Euro erhält. Eine Familie mit einem regulären Bruttoeinkommen von 2.540 Euro erreicht demnach ebenfalls nur 1.930 Euro.

Es ist klar, worauf solche Berechnungen in der von Gesundheitsminister Jens Spahn losgetretenen Debatte über Hartz IV abzielen. Sie sollen suggerieren, dass die Grundsicherung so großzügig bemessen ist, dass es für Betroffene keinen Grund gibt zu arbeiten. Die FAZ schreibt deshalb vom „Lohnabstandsgebot“, das, grob gesagt, ein höheres Niveau niedriger Einkommen gegenüber Sozialleistungen verlangt, seit 2011 aber nicht mehr existiert. Es wird gerne als Argument gegen höhere Regelsätze herangezogen.

Der vermeintlich geringe Abstand der Regelsätze zu niedrigen Einkommen sollte aber vielmehr die Frage aufwerfen, ob die Löhne nicht viel zu gering sind – und wie sie steigen könnten.

Hartz IV ist außerdem keineswegs ein bedingungsloses Grundeinkommen. Wer es erhält, muss praktisch jede Arbeit annehmen, egal wie niedrig der Lohn, wie schlecht die Konditionen sind. Betroffene werden so in eben­jenen prekären Arbeitsmarkt gedrängt, in dem die Löhne kaum zum Leben reichen. Benötigen sie dennoch Hartz-IV-Leistungen, müssen sie ihr Erspartes bis auf ein geringes Schonvermögen aufbrauchen. Einfach schnell den Job kündigen, um dann gemütlich von Hartz IV zu leben, ist nur in der verblendeten Fantasie von Neoliberalen eine attraktive Option.

Übrigens lohnt sich auch ein genauer Blick auf die Zahlen des Steuerzahlerbundes. In den Berechnungen taucht nämlich etwa das Kindergeld nicht auf, das bei ALG-II-Empfängern mit den Leistungen verrechnet wird. Bezieht man es ein, wäre das Einkommen der Familie mit Arbeitseinkommen um monatlich fast 400 Euro höher. Abstand eingehalten.

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