Filmkomödie über Panikattacken: Vier Fäuste für ein Burnout

Der Film „Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?“ erzählt von einer Frau, der alles zu viel wird. Bis die Panikattacke ihr beim Fremdgehen hilft.

Die zwei Doppelgängerinnen in der Küche

Der Moment, wenn dir die eigene Angstattacke das Frühstück wegisst Foto: Sonja von Schultzendorff/Coin Film

BREMEN taz | Eines Morgens wacht Luisa im Schlafzimmer neben sich selbst auf. Oder besser: neben ihrer Abspaltung, die Ann heißt und eine handfeste Manifestation ihrer Stressreaktion ist. Sie ist also keine Einbildung, die im Kino nur die Protagonisten und die Zuschauer sehen können. Ann ist für alle sichtbar, entwickelt langsam ein eigenes Bewusstsein und sagt Sätze wie: „Eigentlich bin ich eine Panikattacke, aber ich wollte auch mal raus!“

Verwechslungskomödien sind ein altes Sub-Genre, in dem seit Shakespeare nicht viel Neues passiert ist. Doch der Regisseurin Lola Randl ist genau das mit diesem Dreh gelungen: Denn ihre Protagonistin wird mit sich selbst verwechselt.

Luisa hetzt durch ihr Leben, weil sie alles haben will, und zwar sofort. Der sympathische Ehemann reicht ihr nicht, sie braucht auch noch eine Affäre mit seinem attraktiven Chef. Im Beruf als Paartherapeutin will sie erfolgreich sein und sich auch noch an der Töpferscheibe künstlerisch verwirklichen.

Da ist es schon von Vorteil, wenn ihre Doppelgängerin das Wochenende brav mit dem Ehemann verbringt und sie selber mit dem Geliebten eine Spritztour macht. Trotzdem hat sie Angst vor ihrem anderen Ich. Denn was ist, wenn diese eine bessere Version von ihr ist? Und natürlich darf niemand Luisa und Ann zusammen sehen.

Man kann nur bewundern, wie radikal und uneitel Lina Beckmann sich in diese Doppelrolle gestürzt hat. Als Luisa ist sie eine egozentrische Neurotikerin, als Ann ein noch völlig ungeformter neuer Mensch, der sich so bewegt, spricht und fühlt, als täte er alles zum ersten Mal.

Keine von beiden ist sympathisch

Wirklich sympathisch ist aber auch sie nicht, denn sie ist ja nicht liebenswerter, sondern nur neuer als das Original. „Sie hat keine Angst, dass sie vor der Kamera schlecht aussieht“, sagt die Regisseurin über die Schauspielerin, die 2008 in ebenfalls Randls Spielfilm „Die Besucherin“ ihr Kinodebüt gab.

Die Szenen, in denen sie zugleich als Luisa und als Ann auf der Leinwand zu sehen ist, machten dies zu einer technischen schauspielerischen Arbeit für Beckmann, die bisher mehr für das Theater als vor einer Kamera gearbeitet hat.

Da wurde zwar auch mit einem Double gedreht, aber da es viele komplizierte Sequenzen gibt, in denen die beiden Frauen sich berühren, musste Beckmann solche Szenen in drei bis vier verschiedenen Einstellungen spielen, die dann in der Postproduktion zusammengefügt wurden. Sie spielte dabei ohne Gegenpart ins Leere. Und da alles genau passen musste, gab es viele Wiederholungen. Dennoch wirkt ihr Spiel spontan und intensiv.

Randl riskiert einiges, wenn sie es dem Publikum schwer macht, sich mit ihrer Hauptfigur zu identifizieren: „Sie ist angespannt, narzisstisch, geizig und angstbesessen“, sagt sie selber über Luisa.

Autobiographischer Film

Dann erzählt sie, dass „Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?“ ein autobiografisches Werk ist: Sie kenne diese Phasen der Überforderung und Abspaltung von sich selbst. Und weil sie das Drehbuch mit „ein wenig Leidensdruck“ geschrieben habe, sei ihr Film auch eine Satire geworden, in der ein grelles und buntes Leben vorgeführt werde, um die Leere zu kaschieren.

Der Film spielt in einer modellhaften Comicwelt: In der Ferne steht ein Regenbogen über einem Atomkraftwerk, und die Menschen wohnen in grotesk verbauten modernistischen Häusern. Die beiden Männer in Luisas Leben arbeiten in einer Firma, die diese zwar dekorativen, aber im Grunde unbewohnbaren Immobilien verkaufen. Sie wohnen sogar in Musterhäusern, sodass jeden Moment potenzielle Kunden an der Tür klingeln und eine Besichtigungstour machen könnten.

Diese künstliche Außenwelt entspricht der Gefühlswelt der Filmfiguren, und so ist es gar nicht mehr komisch, wenn die Menschen getrieben und freudlos dem beruflichen Erfolg, dem Luxus, gutem Essen und Sex hinterher jagen.

Randl hat diese Plastikwelt auf allen Ebenen konsequent gestaltet. Die Farbdramaturgie besteht aus lauten Signalfarben. Schattierungen wären fehl am Platz. Und die Musik besteht zum Teil aus quasi-klassischen Stücken, die klingen, als hätte sie Elektromusik-Pionierin Wendy Carlos in den 1970er-Jahren auf ihrem Moog-Syntheziser gespielt. Auch sie wirken flach, kalt und mechanisch.

Umkehrung der Geschlechterrollen

Interessant ist die ganz selbstverständliche Umkehrung der Geschlechterrollen in diesem Film, denn die Männer sind nicht viel mehr als klischee­behaftete und vermeintlich weibliche Wunschfantasien: Der Geliebte hat einen tollen Körper und ist immer willig, der Ehemann ist anhänglich, verlässlich und kocht gerne.

Benno Fürmann und Charly Hübner macht es sichtlich Freude, diese Karikaturen zu spielen. Und dass Beckmann und Hübner auch in der Realität miteinander verheiratet sind, gibt dem Film noch einen weiteren ironischen Dreh.

Weil der Film sowohl von der Filmförderung Hamburg/Schleswig-Holstein als auch von der Nordmedia finanziert wurde, sind Teile in Hamburg und Niedersachsen gedreht. Das Wattenmeer bei Cuxhaven bietet für die letzten Einstellungen des Films einen eindrucksvollen Kontrapunkt, denn hier schlägt die Protagonistin in der elementaren Realität auf. Und dafür gibt es kein passenderes Sinnbild als das Meer.

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