Verbot der „Werbung“ für Abtreibungen: „Es besteht Änderungsbedarf“

Abgeordnete von SPD, Grünen, Linken und FDP sprechen erneut über §219a. Die Union will an der bestehenden Rechtslage festhalten.

Mehrere Politiker mit einem Anti-§219-Plakat vor dem Reichstag

Abgeordnete von SPD, Linken, FDP und Grünen mit der Ärztin Kristina Hänel (mitte) Foto: dpa

BERLIN taz | Es ist die erste Sitzungswoche im neuen Jahr, und damit geht im Bundestag eine Debatte weiter, die über die Feiertage und Sondierungen in den Hintergrund gerückt war. Es geht um den Paragrafen 219a Strafgesetzbuch, das Verbot der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche. Linke, Grüne und SPD fordern die Abschaffung des Paragrafen. Denn dieser verbietet auch, dass Ärzt*innen öffentlich darüber informieren, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Auch die FDP möchte die jetzige Form des Paragrafen ändern. Die Union will an der bestehenden Rechtslage festhalten. Am Mittwochmorgen diskutierten Abgeordnete von SPD, Grünen, Linken und FDP in einem interfraktionellen Treffen über das weitere Vorgehen. Vertreter*innen der Unionsfraktion waren nicht anwesend.

„Der Dialog in der interfraktionellen Runde war erneut konstruktiv“, sagt Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion. „Der Konsens darüber, dass Änderungsbedarf zum bestehenden Paragrafen 219a besteht, wurde bekräftigt.“ Für Schauws ist klar, dass der Paragraf abgeschafft gehört. „Im 21. Jahrhundert sollten seriöse medizinische Informationen online für Frauen – gerade wenn sie in einer Notlage sind – zugänglich sein“, sagt sie.

Eine besondere Rolle in der Diskussion kommt allerdings der SPD-Fraktion zu. Ebenso wie Linke und Grüne hatte diese einstimmig einen Gesetzentwurf zur Streichung des Paragrafen beschlossen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Eva Högl hatte mehrfach mit Nachdruck erklärt, dass der Paragraf gestrichen oder zumindest geändert werden müsste. Das war allerdings, bevor die Sozialdemokraten sich für Sondierungsgespräche mit der Union entschieden hatten.

Ob die mögliche Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union diese Entschiedenheit dämpfen wird, bleibt abzuwarten. „Ich fordere von der SPD, jetzt keinen Rückzieher zu machen und zu ihrem Wort zu stehen, das Informationsrecht für ungewollt Schwangere herzustellen“, sagt Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion.

Bisher zumindest ist die SPD weiter mit dabei. „Gemeinsame Verabredung zwischen Grünen, SPD, FDP und Linken war heute, dass wir zeitnah in das parlamentarische Verfahren zu § 219a StGB einsteigen und die jeweiligen Gesetzentwürfe einbringen wollen“, sagt die Grüne Schauws. „Die SPD selbst stand aus terminlichen Gründen nicht für eine Stellungnahme zur Verfügung.

Anträge bald ins Plenum bringen

Die FDP-Fraktion hat sich noch nicht auf eine einheitliche Meinung zum Umgang mit § 219a geeinigt. Dennoch betont die Abgeordnete Katja Suding: „Die anwesenden Fraktionen haben ihren Wunsch nach einer Veränderung bekräftigt und möchten das parlamentarische Verfahren nun zügig starten.“ Die Liberalen planen für den Februar einen Fachkongress mit Expert*innen aus Recht, Medizin und Kirche, zu dem auch die anderen Fraktionen des Bundestages eingeladen werden. „Die FDP-Bundestagsfraktion plant einen eigenen Gesetzentwurf, der nicht die komplette Streichung des §219a StGB einfordert, sondern die Werbung in grob anstößiger Weise weiterhin unter Strafe stellt“, sagt Stephan Thomae, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion.

Die Anwesenden haben sich darauf verständigt, ihre Anträge bald ins Plenum einzubringen. „So kann die Arbeit in den Fachausschüssen beginnen“, sagt Möhring. „Dann besteht die Möglichkeit, dass wir noch vor einer Regierungsbildung zu Ergebnissen kommen.“

Klar scheint zu sein, dass ein Kompromiss mit der Union nicht möglich ist. Annette Widmann-Mauz, Staatssekretärin um Bundesgesundheitsministerium, hatte das Treffen krankheitsbedingt abgesagt. Ihre Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, hatte hingegen erklärt, eine Teilnahme an dem Treffen nicht für sinnvoll zu halten: „Als Union haben wir schon beim letzten interfraktionellem Treffen klar gemacht, dass der Paragraf 219a StGB für uns unverzichtbar zum Schutzkonzept gehört, mit dem die Grundrechte des Ungeborenen gewahrt werden“, sagt sie. Im taz-Interview hatte sie am Mittwoch gesagt, dass nicht nur das Anpreisen von Abtreibungen zu deren Verharmlosung beitrage, „sondern auch die sachliche Information als Angebot auf der Homepage eines Arztes“.

Paragraf 219a besagt unter anderem, dass, wer „öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften“ seines „Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise“ Abtreibungen „anbietet, ankündigt“ oder „anpreist“, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird. In der Konsequenz ist es Ärzt*innen verboten, öffentlich darüber zu informieren, dass sie Abtreibungen vornehmen – denn das übliche Honorar gilt als „Vermögensvorteil“. Ein Zustand, der in den Augen von Kritiker*innen sowohl einen Einschnitt in die Berufsfreiheit der Ärzt*innen darstellt als auch in dem Recht auf Information und auf freie Arztwahl für Frauen, die eine Abtreibung brauchen.

Anlass für die Diskussion über den Paragrafen 219a war der Fall der Ärztin Kristina Hänel, die im November zu einer Geldstrafe von 6.000 verurteilt wurde. Sie gibt auf ihrer Webseite an, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Angezeigt hatten Hänel radikale Abtreibungsgegner*innen. Sie will Berufung einlegen und notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht gehen.

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