Umgang mit Judenfeindlichkeit in Bremen: Anonyme Antisemiten

Antisemitische Straftaten sollen in Bremen künftig genauer erfasst werden. Allzu genau will die Regierung es aber lieber auch nicht wissen, zeigt eine aktuelle Senatsvorlage.

Demonstranten hatten Schilder hoch mit Texten wie "Isreal=Terrorist".

Häufig unterhalb der Strafbarkeitsschwelle: Anti-Israel-Demonstration in Bremen 2014 Foto: Jean Baeck

BREMEN taz | Der Witz an einer Statistik ist üblicherweise, dass man ihr auch etwas entnehmen kann: Daten werden erhoben, um sie zu analysieren. Das funktioniert allerdings nicht überall: Die polizeilichen Statistiken zu antisemitischen Straftaten etwa sind kaum zu gebrauchen. Denn erfasst werden solche Straftaten bislang unter der Rubrik „Politisch motivierte Kriminalität rechts“ (PMK-rechts). Antisemitismus gibt es aber nicht nur rechts. Es gibt ihn unter Linken, es gibt ihn unter Islamisten, es gibt ihn in der Mitte der Gesellschaft.

In Deutschland sind verschiedenen Studien zufolge antisemitische Denkmuster bei etwa 20 Prozent der Bevölkerung verbreitet. Sie werden häufig unterhalb der Strafbarkeitsebene sichtbar werden: „Es gibt einen Graubereich von unterschwelligen, antisemitischen Strömungen in Teilen unserer Gesellschaft, gegen die man mit Mitteln der Polizei nicht ankommt,“ sagte dazu im vergangenen Jahr der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD).

24. April 2017: Am israelischen Holocaust-Gedenktag wird auf dem jüdischen Friedhof in Hastedt ein Grab mit einem Hakenkreuz beschmiert

17. August 2017: Der Gedenkstein vor der Bremerhavener Synagoge wird mit diversen Hammerschlägen beschädigt

28. November 2017: Bremerhavens Synagoge wird mit einem Hakenkreuz beschmiert

5. Dezember 2017: Eine Mauer am Denkort Bunker Valentin in Farge wird mit dem Slogan „Stoppt den Schuldkult“ beschmiert

Dezember 2017: In Blumenthal wird ein Straßenschild übermalt, das an die im Vernichtungslager Treblinka ermordete Jüdin Jenny Ries erinnert.

Mitte Dezember 2017: Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Elvira Noa und die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Motschmann (CDU) warnen, auch auf bremischen Schulhöfen sei „Jude wieder ein Schimpfwort“.

Um überhaupt mal auf eine vernünftige Datenbasis zu kommen, auf der der Antisemitismus wirksam bekämpft werden kann, sollen die Sicherheitsbehörden antisemitische Straftaten in Bremen künftig besser erfassen. Den entsprechenden Beschluss, dem ein fraktionsübergreifender Antrag von SPD, Grünen, CDU, FDP und Linken vorangegangen war, fasste die Bürgerschaft am vergangenen Donnerstag einstimmig. „Die Schaffung entsprechender Strukturen soll den Betroffenen das Anzeigen antisemitischer Straftaten erleichtern und damit Dunkelziffern reduzieren“, heißt es darin. Zudem sollen antisemitische Straftaten im Verfassungsschutzbericht explizit ausgewiesen werden „und stärker als bislang, die den Taten zugrundeliegende Motivation der Täter, erfasst werden“.

Das hatte auch der vom Bundestag eingesetzte unabhängige Expertenkreis Antisemitismus in seinem Abschlussbericht gefordert. Er empfiehlt eine Datenbank, in der nicht nur Straftaten gezählt, sondern der gesamte Verfahrensablauf inklusive Strafmaß und Verurteilungsquote dokumentiert wird. Das schließt auch Angaben zu Tätern und Opfern ein.

Kein Bedarf, initiativ zu werden

Dieser Empfehlung will der Bremer Senat jedoch offenbar nicht folgen: Die Linke hatte in einer Großen Anfrage im Dezember 2017 genau danach gefragt, inwiefern die Handlungsempfehlungen des Expertenkreises „auf rassistisch und PMK-rechts motivierte Straftaten übertragen werden“ können und sollen. In der aktuellen Senatsvorlage beantwortet der Senat die Anfrage so: Die überwiegende Zahl der Handlungsempfehlungen setze eine Umsetzung auf Bundesebene voraus. Der Senat sehe derzeit keinen Bedarf, initiativ zu werden, „da die bestehenden Regelungen als ausreichend betrachtet werden“.

Als ausreichend betrachtet der Senat auch die Fortbildung von PolizistInnen: Die Linke hatte danach gefragt, ob die BeamtInnen speziell „zur Erfassung des antisemitischen Gehalts von Aussagen bzw. Aktionen zum Israel-Palästinenser-Konflikt“ geschult würden. Nein, würden sie nicht, lautet die Antwort des Senats. Stattdessen gebe es Seminare zum Thema Rassismus und Interkulturalität wie etwa die Veranstaltung „Interkulturelles Training im Kontext der Vielfalt“. Hierbei würden „neben allgemeinen Themen der Fremdenfeindlichkeit auch Antisemitismus und Islamophobie“ thematisiert. Damit, so der Senat, werde der Antisemitismus in der polizeilichen Aus- und Weiterbildung „hinreichend berücksichtigt.“

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