Merkel beim CSU-Parteitag: „Marmor, Stein und Eisen bricht“

Beim CSU-Parteitag freut man sich auf die Rede der Kanzlerin. Vorbei sind die Zeiten, als Angela Merkel fluchtartig den Saal verlassen musste.

CSU-Chef Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel, sie winkt

Zu bombastischen Diskoklängen zieht Angela Merkel in den Saal ein Foto: dpa

BERLIN taz | CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer steht im Foyer der Nürnberger Messehalle und wartet. Jeden Moment soll Angela Merkel hier beim CSU-Parteitag aufschlagen. „Und dann wird die Kanzlerin nett und zuvorkommend begrüßt“, erklärt Scheuer, und kann sich ein Grinsen dabei nicht ganz verkneifen. Nicht weil seine Ankündigung ironisch gemeint wäre, sondern weil er weiß, dass das in der Vergangenheit keine Selbstverständlichkeit war.

Zu gut hat man noch den Parteitag vom 20. November 2015 in Erinnerung. Eine rund zwanzigminütige Strafpredigt von Horst Seehofer hat sich Merkel damals nach ihrer Rede anhören müssen, bevor sie fluchtartig den Saal verließ. „Wie ein Schulmädchen“ war der damals wohl häufigste Vergleich, der bemüht wurde, um Merkels Behandlung durch den Parteivorsitzenden zu beschreiben. Die Folge: Im Jahr darauf verzichteten Seehofer und Merkel ganz auf ihre gegenseitigen Parteitagsbesuche. Und auch Merkels Besuche bei den Klausurtagungen der CSU in diesem Jahr fielen eher kühl aus.

Ganz anders an diesem Freitag. Artig kommt auch Seehofer ins Foyer, scherzt noch ein bisschen mit einer Handvoll Demonstranten der Mittelstandsunion, die Schilder wie „Keine Koalition um jeden Preis“ und „Soli weg! Jetzt!“ vorbereitet haben, um sie der Kanzlerin entgegenzurecken. Dann flüstert Seehofers Sprecher: „Sie ist da“, Seehofer eilt zur Tür und begrüßt Merkel herzlich. Man spricht über das Wetter. „Am Flughafen war’s noch besser“, sagt Merkel, auf deren grünem Blazer eine Schneeflocke glitzert. Ansonsten ist Frostigkeit hier kein Thema.

Zu bombastischen Diskoklängen zieht Angela Merkel schließlich in den Saal ein, dicht gefolgt von Scheuer und Seehofer. Schnell noch ein Selfie mit einer Delegierten, dann steht sie auf der Bühne. „Ob Sie’s glauben oder nicht, ich freu mich richtig, heute wieder bei Ihnen auf einem CSU-Parteitag zu sein.“ Und Seehofer wird ihr nach ihrer Rede antworten: „Auch wenn du es mir nicht glaubst, ich freue mich, dass du da bist beim CSU-Parteitag.“

Harmonie, Geschlossenheit, Einigkeit

Merkel erwähnt die letzten zwei Jahre, die „für uns alle nicht einfach“ gewesen seien, folgert aber umgehend: „Stark sind CDU und CSU immer dann, wenn sie einig sind.“ Und damit hat sie auch schon den Nerv dieser Veranstaltung getroffen, denn nur um eines geht es hier in Nürnberg: Harmonie, Geschlossenheit, Einigkeit. Geschlossenheit innerhalb der CSU, aber auch zwischen den beiden Schwesterparteien. Kurz zuvor hatte man schon dem Ehrengast Volker Kauder eine CSU-Mitgliedschaft antragen wollen.

So ist es denn eigentlich auch zweitrangig, was Merkel noch zu sagen hat. Über die Landtagswahl, die Bayern im nächsten Jahr erwartet, und bei der die CSU natürlich ein „tolles Ergebnis“ einfahren solle. Über die gute Zusammenarbeit, die sie dem designierten Spitzenkandidaten Markus Söder anbietet, und über den Respekt vor dem Beschluss der SPD nach langem Ringen, Sondierungsgespräche aufzunehmen, und der „Riesenverantwortung, eine stabile Regierung zu bilden“.

Und dann folgt über eine knappe halbe Stunde eine Parforceritt durch alle Politikfelder, die das Land bewegen. Wohlstand, Beschäftigung, Sicherheit, Stabilität, Zusammenhalt der Gesellschaft, Digitalisierung, ausgeglichener Haushalt, Bedeutung der Familie und, und, und … Auch über die Situation im ländlichen Raum, die „Pflege der Pflegenden“. Es scheint, als hätte Merkel noch einmal eine ihrer Reden aus dem Wahlkampf aus der Schublade gezogen. Da alles Forderungen sind, über die sich die Parteien für ihr gemeinsames Regierungsprogramm ohnehin geeinigt hatten, besteht keine Gefahr, die Schwester vor den Kopf zu stoßen.

Die CDU-Chefin redet schnell, die Delegierten bekommen kaum eine Möglichkeit zu applaudieren, als sich der Beifall in einer Sprechpause dann doch entlädt, ist Merkel fast erstaunt. Ob es da ein „Twittersignal“ gegeben habe, dass jetzt alle klatschen solle, fragt sie. Am Ende scherzt sie noch schnell über ihr spezielles Verhältnis zu Horst Seehofer: „Marmor, Stein und Eisen bricht“ Und das war es. Dreiminütiger Applaus, stehende Ovationen, man hat sich wieder lieb.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.