EU-Austritt Großbritanniens: Drohgebärden aus Brüssel

Die EU will bei ihrem Gipfel die zweite Phase der Brexit-Gespräche einläuten. Die Kommission und das EU- Parlament fordern rechtliche Garantien.

Ein Mann. Mit der rechten Hand macht er eine verhaltene Victory-Geste

Deutet an, dass er die britische Verhandlungsseite mit zwei Zungen sprechen hört – Michel Barnier Foto: imago/Xinhua

BRÜSSEL taz | Nichts ist vereinbart, solange nicht alles vereinbart ist. So lautet eine Grundregel bei internationalen Verhandlungen. Im Ringen um den britischen EU-Austritt wird sie nun zum Problem.

London stellt die in der vergangenen Woche mit der EU getroffenen Vereinbarungen über den Scheidungsvertrag unter Vorbehalt weiterer Fortschritte, etwa beim geplanten Freihandelsabkommen. Die EU-Seite fordert dagegen Vertragstreue.

„Wir akzeptieren keine Rückschritte“, sagte Chefunterhändler Michel Barnier im Europaparlament in Straßburg. Die erzielten Fortschritte, die der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel absegnen soll, müssten schnell in „juristisch bindende“ Vereinbarungen umgesetzt werden. Dies sei „eine der Bedingungen für die gute Fortführung der Verhandlungen“, so der Franzose.

Ähnlich äußerten sich führende Abgeordnete des Europaparlaments. Sie empören sich darüber, dass der britische Brexit-Minister David Davis Vorbehalte angemeldet hatte. Die im Scheidungsvertrag zugesagten Zahlungen werde Großbritannien nur dann leisten, wenn ein Handelsabkommen beider Seiten zustande komme, so Davis.

Chefunterhändler Michel Barnier

„Wir akzeptieren keine Rückschritte“

Der Brexit-Beauftragte des Parlaments, Guy Verhofstadt, erwiderte, diese Äußerungen „untergraben das Vertrauen, das man in solchen Verhandlungen braucht“. Großbritannien müsse zu seinen Verpflichtungen stehen – und diese müssten in den Austrittsvertrag übernommen werden.

Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, forderte eine Klarstellung von Premierministerin Theresa May. Sie müsse noch vor dem am Donnerstag beginnenden Gipfeltreffen klarstellen, dass das Ergebnis der ersten Verhandlungsrunde verbindlich ist.

Besonders hartnäckiges EU-Parlament

Das Europaparlament hat sich in der nun zu Ende gehenden ersten Phase der Brexit-Verhandlungen als besonders hartnäckig erwiesen. Allerdings haben die Abgeordneten keinen Einfluss auf den EU-Gipfel. Dort geben Ratspräsident Donald Tusk und die 28 Staats- und Regierungschefs den Ton an.

Tusk warnte, der Abschluss der ersten Phase sei nur ein „moderater Fortschritt“. Jetzt seien nur noch zehn Monate Zeit, um alle restlichen Fragen einschließlich einer Übergangsphase und den künftigen Beziehungen zu klären, warnte der Ratspräsident. „Das wird ein fulminantes Rennen gegen die Zeit.“

Der Scheidungsvertrag muss rechtzeitig vor dem endgültigen EU-Austritt am 29. März 2019 stehen. Großbritannien möchte vorher noch ein Freihandelsabkommen sowie eine zweijährige Übergangsphase durchsetzen, die den Brexit für die Wirtschaft verträglicher machen soll.

Nach den vorab durchgesickerten „Leitlinien“ für die weiteren Verhandlungen will die EU aber erst ab März über die künftigen Beziehungen mit Großbritannien verhandeln. Darin wird London aufgerufen, zunächst „weitere Klarheit zu seiner Position“ zu schaffen.

Britische Parlamentarier bedsonderws hartnäckig

Zuletzt hatte die britische Regierung von „Kanada plus plus“ geredet – also einem Freihandelsabkommen nach dem Muster des Ceta-Deals mit Kanada, das um für die britische Wirtschaft wichtige Aspekte ergänzt werden soll. Die Verhandlungen über Ceta hatten allerdings nicht ein paar Monate, sondern sieben Jahre gedauert.

Sollte eine Einigung gelingen, so müsste der Scheidungsvertrag noch von allen 27 EU-Staaten und dem Europaparlament gebilligt werden. Die EU-Abgeordneten verwiesen am Mittwoch auf diese Bedingung, um zusätzliche Rechte für die EU-Bürger in Großbritannien und weitere Garantien für die künftige Grenze zwischen Irland und Nordirland durchzusetzen.

Allerdings fordern nun auch britische Parlamentarier ein Vetorecht. Die EU-Freunde aus der konservativen Regierungsfraktion setzen damit Premierministerin May unter Druck. Brexit-Minister Davis versuchte noch am Mittwochmorgen in einem Schreiben, die Tory-Rebellen zu besänftigen, und versprach ihnen eine „bedeutende Abstimmung“ über das Brexit-Abkommen.

Brexit-Hardliner warfen der Gruppe vor, das ganze EU-Austrittsgesetz behindern zu wollen. „May hat fast überall nachgegeben“, schimpfte Nigel Farage, der als Spitzenmann der Partei Ukip den britischen Austritt aus der EU maßgeblich eingeleitet hatte.

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