Forschungsobjekt Protestkultur: Zivile Gesellschaft im Fokus

Am Berliner WZB entsteht ein neues Forschungszentrum, das die neuen Protestbewegungen untersuchen und analysieren soll.

Ein Mann mit Strickmütze in den Nationalfarben des deutschen Reiches steht vor einer Deutschlandfahne

Pegida-Demonstration in Dresden: Schon das Tragen einer Strickmütze wird zum politischen Bekenntnis Foto: dpa

BERLIN taz | Die Zivilgesellschaft ist für die Sozialwissenschaften kein einfaches Forschungsobjekt. Ob Bürgerinitiativen, Nichtregierungsorganisationen oder neue soziale Bewegungen, ständig wandeln sich die Formate der Engagement- und Protestkultur in der Gesellschaft. War der zivile Widerstand einst linke Domäne, artikulieren sich seit dem Auftreten von Pegida lautstark auch die rechtskonservativen Wutbürger.

Mit dem Institut für Zivilgesellschaftsforschung, das diese Woche im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) feierlich gegründet wurde, wird jetzt ein neuer Anlauf unternommen, die sozialen Veränderungen wissenschaftlich besser in den Griff zu bekommen. Die Einrichtung ist eine Kooperation zwischen dem WZB und der Freien Universität Berlin, finanziell gefördert von der Stiftung Mercator und der Volkswagenstiftung. Geplant ist ein Ausbau auf acht Forscher in den nächsten zwei Jahren.

„Ziel des neuen Zentrums ist es, die zivilgesellschaftliche Protest- und Bewegungsforschung systematisch mit der Analyse politischer Konflikte und der Sozialkapitalforschung zu verbinden“, erklärt der neue Gründungsdirektor Edgar Grande, der bislang den Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München innehatte. Für die erste Phase hat sich Grande drei große Forschungsfragen vorgenommen. So wird untersucht, welche politischen Konflikte die Spaltung der Gesellschaft bewirken.

Für Westeuropa sind aktuell zwei Themen dominant: die Einwanderung und die Entwicklung der EU, gipfelnd in der Eurokrise. Durch diese Konflikte ändern sich auch die „Grundkoordinaten der Politik“, bemerkt Grande: „Mit dem alten Links-rechts-Schema, das die sozio-ökonomischen Konflikte der kapitalistischen Industriegesellschaft des 20. Jahrhunderts abbildet, sind wir nicht in der Lage, die neuen kulturell-identären Konflikte angemessen politisch zu verorten“. Mit empirischen Methoden, unter anderem einer großen Datenbank, soll dann untersucht werden, durch wen und mit welchen Mitteln diese Konflikte organisiert und mobilisiert werden.

„Auch zur Beantwortung dieser Frage benötigen wir einen neuen Blick auf die Zivilgesellschaft“, sagt Grande. Dritte Leitfrage ist schließlich, welche Folgen diese Prozesse für den Zusammenhalt der Gesellschaft haben.

Auch im Nachbarland Österreich wird die Zivilgesellschaft untersucht. Am kommenden Dienstag stellt das Forschungsinstitut Zivilgesellschaft (FiZ) der Wiener Volkshochschulen eine neue Studie vor, in der 1.500 ehrenamtliche Helfer zur Motivation ihres Engagements vor allem in der Flüchtlingskrise befragt wurden. Die Ergebnisse sollen dabei helfen, so Studienleiterin Andrea Schaffar, „den öffentlichen Diskurs über Zivilgesellschaft – auch im Zusammenhang mit Flüchtlingsbewegungen, weg von unbegründeten Zuschreibungen und hin zu einer auf Fakten beruhenden Diskussion, zu leiten“.

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