Kommentar deutsche Bildungspolitik: System der Verlierer

Jeder fünfte deutsche Schüler kann am Ende der vierten Klasse nicht richtig lesen. Die neue Iglustudie zeigt: Der Bildungsföderalismus hat versagt.

Lesende Kinder

Das muss besser werden: Grundschüler beim Lesen in einer Bibliothek Foto: dpa

Deutschland ist ein föderaler Staat. Das ist so im Grundgesetz festgeschrieben. Doch das föderale Prinzip ist kein Wert an sich. Besonders im Bildungsbereich versagt es völlig. Das zeigt einmal mehr die aktuelle IGLU-Lesestudie. Demnach ist die Chancenungleichheit im föderalen Deutschland riesig und die Gruppe der Viertklässler, die am Ende der Grundschule keinen Text lesen können, gewachsen.

Was das heißt? Ganz klar: Der Föderalismus mit seinen 16 nebeneinander vor sich hin wurstelnden Bildungssystemen produziert Bildungsverlierer. Es gibt keine gesamtstaatliche Strategie dagegen, keine Instanz, die über Bremen oder Bayern hinaus blickt.

Und was folgt daraus? Nichts, wenn alles so bleibt, wie es ist. Die klammen Bundesländer, denen außer Polizei und Schulen keine Refugien mehr geblieben sind, wollen sich beim Thema Bildung vom Bund nichts vorschreiben lassen. Und der Bund, der im Geld schwimmt, will nur investieren, wenn er mitbestimmen darf. Ein Patt.

Wenn sich die Viertklässler ohne Lesekenntnisse zu Schulabbrechern ohne Aussichten auf Lehrstellen entwickelt haben, erst dann wird der Bund aktiv, um mit Milliarden zu reparieren, was in der Grundschule versäumt wurde.

Die Länder und Kommunen, die kein Geld haben, um zusätzliche LehrerInnen einzustellen, müssen den späteren Hartz-IV-Empfängern und prekär Beschäftigten die Kosten für die Unterkunft überweisen.

Das ist widersinnig, anders gesagt: Das föderale Prinzip der getrennten Zuständigkeit wendet sich in der Bildung gegen die Menschen. Das kann nicht im Sinne des Grundgesetzes sein. Man braucht den Föderalismus nicht abzuschaffen. Aber man muss ihn reformieren. Die Situation ist günstig: Eine neue Regierung steht in den Startlöchern, ein noch zaudernder Partner fordert seit Jahren die Abschaffung des sogenannten Kooperationsverbots im Bildungsbereich. Die SPD kann, sie muss hier ihren Preis hochtreiben.

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Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.

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