Zeit für einen Perspektivwechsel

Die Pay-TV-Serie „4 Blocks“ wandert ins öffentlich-rechtliche Programm von ZDFneo und Funk. Warum das nachdenklich macht

„Séries Mania“-Preisträger Kida Khodr Ramadan als Ali „Toni“ Hamady, (l.), daneben Frederick Lau (m.) und Veysel Gelin (r.) Foto: TNT/ZDF

Von Jens Mayer

Eigentlich hat man bei ZDFneo dieses Mal alles richtig gemacht. Keine zehn Monate nach der Berlinale-Premiere und keine sieben nach der Ausstrahlung der ersten Folge im Pay-TV zeigt der Sender mit „4 Blocks“ nun eine der außergewöhnlichsten und besten deutschen Serienproduktionen des Jahres.

Die sechs Episoden der von den Autoren Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad für den Münchener Bezahlsender TNT Serie geschriebenen Serie erzählen von den internen Auseinandersetzungen eines in die organisierte Kriminalität verstrickten arabischen Familienclans in Berlin-Neukölln – von Regisseur Marvin Kren mitreißend und zeitgemäß inszeniert. Mit überzeugenden Darstellern wie Kida Khodr Ramadan, Frederick Lau, Almila Bagriacik, Maryam Zaree, Oliver Masucci sowie den Rappern Veysel und Massiv ist auch die Besetzung hervorragend. Das bestätigte die Jury des größten europäischen Serienfestivals „Séries Mania“, die Ramadan im Mai für seine Rolle als „Toni“ Hamady als besten Hauptdarsteller ausgezeichnet hat. Abgeräumt hat man auch bei der Verleihung des Preises der Deutschen Akademie für Fernsehen Ende Oktober, wo „4 Blocks“ in sechs Kategorien prämiert wurde.

Im Gegensatz zur Zusammenarbeit von ARD und Sky Deutschland bei der historischen Vorzeigeserie „Babylon Berlin“, die jüngst in die Kritik geraten war. Denn die Gebührenzahler, deren Beiträge den vergleichsweise größeren Teil finanzierten, dürfen sie erst ein Jahr nach Ausstrahlung im Pay-TV sehen. Dagegen wurde „4 Blocks“ überwiegend von Turner selbst produziert. Dazu kommt ein Anteil der Filmförderungen und der Produktionsfirma Wiedemann & Berg. Dem Budget von 38 Millionen Euro für 16 Folgen „Babylon Berlin“ mit riesigen Investitionen in Kulissen und einen enormen Cast stehen hier allerdings auch nur etwas über vier Millionen Euro Gesamtkosten gegenüber.

Warum es nun seltsam anmutet, dass „4 Blocks“ nach wenigen Monaten im exklusiven Pay-TV schon als deutsche Free-TV-Premiere auf ZDFneo zu sehen ist? Zum einen spricht es gegen das Geschäftsmodell eines Bezahlsenders, seine Inhalte nach so kurzer Karenzzeit an einen frei empfangbaren Sender zu lizenzieren. Wobei die Idee dahinter nachvollziehbar ist: Bekanntheitsgrad und Reichweite von TNT Serie sind noch begrenzt, die Serie hat hingegen für medialen Wirbel gesorgt. Die Ausstrahlung im Digitalprogramm und die damit verbundene Bereitstellung auf dem jungen ARD/ZDF-Webportal Funk ist eine Werbemaßnahme: Viele Zuschauer könnten sich extra wegen der für Ende 2018 angekündigten zweiten Staffel ein TNT-Abo zulegen.

Nebenbei widerspricht die Entscheidung von TNT auch der eigenen Maßgabe, sich mit Eigenproduktionen klar vom freien Angebot des TV-Marktes abheben zu wollen – was sie mit „4 Blocks“ tatsächlich geschafft haben. Das erklärte Produktionschefin Anke Greifeneder in zahlreichen Interviews: „Wir sind Pay-TV, wir versuchen immer, uns abzusetzen, wir müssen etwas anderes erzählen.“ In diesem Fall etwa wird der Mikrokosmos der Clans radikal aus der Sicht seiner Mitglieder erzählt. „Wenn eine Tür aufgeht und die Polizei reingeht, dann gehen wir nicht mit der Polizei rein, sondern wir sind mit in der Wohnung.“

Dass dieser, für deutsche Fernsehverhältnisse auffällige Perspektivwechsel nun so schnell und dankbar vom ZDF angenommen wird, wirft die Frage auf, warum man es dort nicht selbst schafft, in ähnlich begeisternder Weise seriell zu erzählen und wirklich ungewöhnlich Neues auszuprobieren, warum die wenigen Versuche an den abgerundeten Ecken und Kanten der eigenen Produktionen scheitern. Formal wäre eine Serie wie „4 Blocks“ zu stemmen gewesen. Und auch inhaltliche Probleme scheint es keine zu geben, wie diese zeitnahe Übernahme ins Programm zeigt.

„4 Blocks“ läuft ab dem 28. November immer dienstags um 23.15 Uhr als Doppelfolge auf ZDFneo. Danach werden die einzelnen Episoden online auf funk.net abrufbar sein