Thüringische Integrationsbeauftragte: „Ziel ist, Perspektiven zu schaffen“

Die rot-rot-grüne Regierung in Thüringen hat ein neues Integrationskonzept verabschiedet. Das Besondere: Es gibt keine Unterscheidung beim Aufenthaltsstatus.

Ein junger Mann sitzt vor Werkzeug und Plänen und arbeitet

In der Gesellschaft ankommen: In Thüringen gibt es viele freie Ausbildungsplätze Foto: dpa

taz: Frau Kruppa, das rot-rot-grüne Kabinett unter Bodo Ramelow in Thüringen hat ein neues Integrationskonzept verabschiedet. Was sind die wichtigsten Eckpunkte?

Mirjam Kruppa: Das Besondere ist, dass wir allen nach Thüringen Zugewanderten Integrationsangebote machen und – anders als der Bund – unabhängig von der Bleibeperspektive passende Deutschkurse ermöglichen. Unsere Maßnahmen gelten für alle. Unser wichtigstes Ziel ist die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Dafür wollen wir alle Voraussetzungen schaffen, vor allem in Sachen Sprache und Beratung. Für den Anfang, wenn die Sprachkenntnisse noch nicht gut genug sind, wollen wir den Zugang zu Dolmetscherdienstleistungen ermöglichen – auch zu Audio- und Videodolmetschern für Geflüchtete im ländlichen Raum. Die Sozial- und Migrationsberatung soll ausgebaut werden. Bisher wird sie nicht ausreichend vom Bund finanziert.

Was sind Ihre weiteren Ziele?

Wir haben einen Schwerpunkt im Bereich Bildung. Wir wollen allen Thüringern – ob mit oder ohne Migrationshintergrund – Bildung ermöglichen. Bei den Geflüchteten haben wir oft durch Kriegserfahrungen oder die Flucht durchbrochene Bildungsbiografien. Deswegen wollen wir Jugendlichen und jungen Erwachsenen ermöglichen, ihre Grundbildung nachzuholen und einen Schulabschluss zu erhalten. In Thüringen haben wir viele freie Ausbildungsstätten. Den Geflüchteten fehlt es teilweise an qualifizierten Sprachkenntnissen, insbesondere, wenn es um berufsspezifisches Vokabular geht. Deshalb wollen wir nicht nur Projekte vor Ausbildungsanfang anbieten, sondern auch ausbildungsbegleitend.

Welche Schritte folgen bei der Durchsetzung des Konzepts?

Wir sind jetzt dabei, den nächsten Doppelhaushalt zu erstellen. Darin werden zusätzlich zehn Millionen Euro pro Jahr für Mehrbedarf durch Maßnahmen des Integrationskonzepts vorgesehen. Das Konzept kann ganz konkret umgesetzt werden, weil wir sehr genau festgeschrieben haben, welches Ministerium für welche Maßnahmen zuständig ist.

Welche Kritik gibt es?

Mirjam Kruppa, 47, ist die thüringische Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge. Sie war als Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Ausländer- und Asylrecht tätig und ist seit 2005 Mitglied der Thüringer Härtefallkommission.

Es gab schon Stimmen aus der CDU-Fraktion, die meinen, mit dem Konzept würden Anreize geschaffen, dass mehr Geflüchtete zu uns kommen. Das sehe ich nicht so. Es geht vielmehr darum, Anreize zu schaffen, dass die hier angekommenen Geflüchteten in Thüringen bleiben. Ansonsten wird es wahrscheinlich Kritik daran geben, dass unser Konzept alle Zugewanderten in den Integrationsprozess einlädt. Im Bund wird zuerst über die Bleibeperspektive entschieden. So wollen wir es nicht machen.

Viele Thüringer ziehen aus den ländlichen Gebieten in die Ballungszentren. Wie sieht das bei den Geflüchteten aus?

Geflüchtete, die keine Wohnsitzauflage mehr haben, ziehen auch eher in die Städte: Erfurt, Jena, Weimar. Das liegt auch daran, dass dort die Integrationsangebote leichter zugänglich sind. Aber nicht alle sind vom Land weggezogen. In den Städten haben wir ohnehin schon Probleme mit dem Wohnungsmarkt. Man kann dort nicht hinziehen, wenn man keine Wohnung hat. Und wenn die Menschen im ländlichen Raum verwurzelt sind, wenn sie dort Arbeit haben und ihre Kinder dort zur Schule gehen, dann sehen sie dort auch Perspektiven. Das ist unser Ziel: Perspektiven zu schaffen.

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