John-Maus-Konzert in Berlin: Drittklässler im Sportunterricht

Den Gesang auf Gefrierfachtemperatur runterkühlen, um den Saal zum Kochen zu bringen: 60 Minuten John Maus live sind der Wahnsinn.

Mann in Sängerpose, der Mikro von sich weg und in Richtung Kamera hält - in einem heruntergerockten Raum

Damals, 2009, noch im Berliner Club Westgermany: John Maus: Foto: imago/Votos-Roland Owsnitzki

John Maus boxt in die Luft. John Maus rudert wild mit den Armen. John Maus schlägt sich mit der Hand gegen den Kopf, wieder und wieder.

John Maus bangt den Head von rechts nach links und von vorne nach hinten, und wieder von rechts nach links, und wieder von vorne nach hinten; eigentlich bewegt er nicht nur den Kopf hin und her, nein, der ganze Körper wiegt hospitalistisch auf und ab.

John Maus hält sich das Mikro an die Schläfe und schreit. John Maus schreit jetzt direkt in das Mikro, man muss kurz an Rainald Goetz denken, John Maus hüpft wie ein Drittklässler beim Sport, John Maus krallt sich mit den Händen in seinem Hemd fest, an der Stelle, wo das Herz sitzt.

John Maus hockt sich jetzt hin, John Maus steht wieder auf, John Maus singt jetzt, dass alle Haustiere irgendwann sterben müssen. Your Pets are gonna die.

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Wahnsinn auf der Bühne

Wahnsinn, was John Maus am Mittwochabend im Festsaal auf die Bühne bringt, vielleicht ist es auch der Wahnsinn selbst, den John Maus auf die Bühne bringt. Eine Stunde spielt er nur, 60 Minuten hallt die deformierte Stimme des US-Künstlers durch den Raum, 60 Minuten dehnen sich Synthesizerklänge so im Raum aus.

Ausverkauft ist der Festsaal, lange schon; kurz nachdem bekannt wurde, dass John Maus, der Politikwissenschaftler und Philosoph aus Minnesota, eines seiner seltenen Konzerte spielt, waren alle 1.000 Karten weg. Vielleicht, denkt man sich da, wird aus dem immer als Geheimtipp und Musicians' Musician gehandelte John Maus ja doch noch mal eine etwas größere Nummer.

Man zählt John Maus zum Hypnagogic Pop, der die Pop-Vergangenheit verfremdet und wieder hervorkehrt, und es passt auch irgendwie, denn John Maus ist nun mit seinem neuen, dem vierten Album „Screen Memories“ unterwegs, und der Titel bezieht sich auf Freuds Begriff der „Deck­erinnerung“, der das Phänomen bezeichnet, dass weniger bedeutsame Kindheitserinnerungen die bedeutsamen decken, also überlagern können.

Hier, im Festsaal, wird alles von schöner Schaurigkeit überlagert. Denn neben Krautrock, Synthpop und Library Music ist da noch eine dicke Portion Goth und Gruft, so wie John Maus seinen Gesang mit dem Effektgerät auf Gefrierfachtemperatur runterkühlt.

Das Publikum pogt

Obwohl John Maus selbst mit seinen 37 Jahren fast schon zur älteren Garde gehört, sind überraschend viele junge Leute da. Vorne in den ersten Reihen hüpft und pogt das Publikum, an den Seiten stehen sie auf (Fenster-)Bänken und schauen gebannt auf John Maus und wie das mit ihm ausgeht. Die anderen drei Musiker – Joe Maus (Bass), Luke Darger (Keyboard) Jonathan Thompson (Drums) – verliert man angesichts der Performance des hypnagogischen Meistersängers manchmal etwas aus dem Blick, sie alle bilden aber für den Maus-Sound den Humus.

John Maus spielt „The Combine“ vom neuen Album, John Maus spielt das alte „Believer“, John Maus spielt „Touchdown“, John Maus’ Stimme verschwindet jetzt in Sphären, von denen man nicht geahnt hat, dass sie existieren; alles wirkt surreal und weit weg, so wie das ganze Konzert surreal und weit weg wirkt, als sei noch eine dünne Schicht zwischen dem, was da passiert, was aus den Boxen kommt und dem Betrachter, dem Hörer.

John Maus gibt noch eine letzte Zugabe, danach hilft alles Kreischen nichts mehr, das Deckenlicht geht an. Kleiner Trost, am Merchandise-Stand gibt es ein Shirt zu kaufen, auf dem John Maus‘ Konterfei zu sehen ist sowie der Schriftzug: „I saw John Maus … and three other guys … LIVE!“ Wahrhaftig, ein Ereignis.

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