Verschollener Friedensvertrag Bosniens: Abkommen, Top-Zustand, 50.000 €

Das Originaldokument des Friedensvertrages, der 1995 den Bosnien-Krieg beendete, galt lange als verschollen. Nun wurde es wiederentdeckt.

Zerstörte Hochhäuser in Sarajevo

Zerstörte Hochhäuser in Sarajevo nach dem Ende des Bosnien-Kriegs Foto: Imago/Jürgen Eis

SARAJEVO taz | Eigentlich kann einen in Bosnien und Herzegowina gar nichts mehr überraschen, entfuhr es dem Journalisten Dragan Bursać. Aber eine solche Tragikomödie suche auch hier ihresgleichen: „Das wichtigste Dokument des Landes wurde zuerst versteckt, verschwand dann und wurde schließlich in dem Haus eines Fahrers gefunden, der bei einem Politiker angestellt war. Was für eine Story.“

Aber der Reihe nach. Das Abkommen von Dayton aus dem Jahr 1995 ist für die Geschichte des Staates Bosnien und Herzegowina von allerhöchster Bedeutung. Mit ihrer Unterschrift auf dem Dokument beendeten die drei Präsidenten Serbiens, Kroatiens und Bosnien und Herzegowinas den dreieinhalb Jahre dauernden Krieg 1992 bis 1995 und verabschiedeten eine Verfassung, die bis heute gültig ist.

Das Original wurde vom damaligen Präsidenten Alija Izetbegović aus Dayton persönlich nach Sarajevo gebracht und im Archiv des wichtigsten Regierungsgebäudes gelagert. Seither hatte es niemand zu Gesicht bekommen. Der damalige Parlamentssprecher Miro Lazović gibt sich ahnungslos. „Ich weiß wirklich nicht, wie diese Dokument abhandenkommen konnte. Das Parlament hat in meiner Amtszeit bis Sommer 1996 niemals über das Abkommen diskutiert, ich habe das auch nie gesehen.“

Auch das kann die Menschen in diesem Land nicht wirklich überraschen. Dass die Parlamentarier das Dokument nicht sehen wollten, sich also nicht um das Abkommen kümmerten, obwohl es gleichzeitig die Verfassung des Landes darstellt, sei zwar ein starkes Stück, aber irgendwie ja auch normal, witzeln Anrufer von Radiosendungen.

Einer forschte nach

Immerhin – einer forschte nach. Željko Komšić, ehemaliges kroatisches Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums, wollte nachlesen, ob die Behauptung seines serbischen Kollegen Nebojša Radmanović, die Internet­version des Abkommens sei nicht authentisch, stimmte. Doch das Dokument war nicht aufzufinden. Das war im Jahre 2008.

Es sollte erst November 2017 werden, bis das Original wiederauftauchte: Die Polizei verhaftete am Dienstag einen Mann in dem Städtchen Pale, das in den Bergen oberhalb Sarajevos liegt und einst Hauptstadt der nationalistischen Serben während des Krieges war. Das Abkommen befand sich in der Wohnung des Mannes, er hatte zuvor versucht, es für 50.000 Euro zu verscherbeln. Der Mann wurde als Željko Kuntoš identifiziert, früherer Fahrer des Parlamentssprechers der serbischen Teilrepublik, Dragan Kalinić. Man darf gespannt sein, was er erzählen wird, wie er in den Besitz des Dokuments kam.

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