Wegen Nazi-Architektur: Herr von Dassel zieht Leine

Der Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne) hat sich im Rathaus Tiergarten ein kleineres Büro gesucht. Aus dem alten wird nun eine kleine Museumsstube.

Stephan von Dassel in seinem Büro als er noch Stadtrat war Foto: dpa

Wer an Nazi-Architektur in Berlin denkt, hat Albert Speers Germania im Kopf, das Olympiastadion mit dem ehemaligen Reichssportfeld oder das Reichsluftfahrtministerium, in dem bald ein neuer Finanzminister sitzt. Diese Liste na­tio­nalsozialistischer Megalomanie hat Mittes Bürgermeister Stephan von Dassel nun auf menschliches Maß heruntergebrochen. Der Grüne räumte sein Büro im Rathaus Tiergarten, um in ein neues, deutlich kleineres zu ziehen. Als Grund nannte er der B. Z. in einer kleinen Homestory: „In einem denkmalgeschützten Büro aus der NS-Zeit will ich nicht arbeiten.“

Natürlich habe ich in diesem Moment nachgedacht, ob ich meine Wohnung verlassen muss. Erbaut 1936, ist auch dort vieles im Original. Der Terrazzoboden in der Küche, die Luftschutztür, die in den Fahrradkeller führt. Darf man in Nazi-Architektur arbeiten und wohnen?

Anders als das Haus, in dem ich wohne, ist das 1935 bis 1937 erbaute Rathaus Tiergarten freilich ein nationalsozialistischer Repräsentationsbau – entworfen vom damaligen Stadtbaurat Richard Ermisch, der zuvor noch mit Martin Wagner das Strandbad Wannsee gebaut hatte, ein Juwel moderner Architektur.

Doch sein Rathaus Tiergarten spiegelt schon den Machtanspruch der Nazis. Die kommunale Selbstverwaltung war abgeschafft, folglich fehlt der Saal für ein Bezirksparlament. Dafür gibt es einen Führerbalkon. Und eben das 46 Quadratmeter große Bürgermeisterbüro mit dunkler Holztäfelung. „Ich hätte die dunklen Wände nur mit Tüchern verhängen dürfen“, verriet der grüne Bezirkschef in seiner Homestory: „Das ist kein Dauerzustand.“

Während von Dassel nun in einem 27 Quadratmeter großen Büro über den richtigen Umgang mit Obdachlosen und Prostituierten grübelt, soll das denkmalgeschützte Bürgermeisterbüro eine Museumsstube werden. Nächste Woche Mittwoch soll sie eröffnet werden. Allerdings wird der ehemalige Nutzer selbst nicht dabei sein. Noch bis zum 14. November, heißt es aus der Pressestelle des Bezirks, weile er in Israel.

Stattdessen erklärt die Leiterin des Mitte-Museums, Kerstin Sittner-Hinz, dass es sich beim Bürgermeisterbüro im Rathaus Tiergarten um ein architektonisches Highlight handele. „Da ist noch alles im Originalzustand.“ Einen großen Bahnhof wird es zur Eröffnung dennoch nicht geben. Auf der Internetseite des Museums ist die Eröffnung der Nazistube nicht zu finden.

Das alles ist ein wenig erstaunlich, weiß Herr von Dassel doch sonst ganz gut, wie man mediale Aufmerksamkeit erzeugt. Aber vielleicht ist er ja zu der Überzeugung gekommen, dass das Ganze, wo es ihm doch meist ums Große geht, zu klein ist. Oder auch, dass das mit der Homestory am Ende doch peinlich war.

„Übrigens: Das gesamte Rathaus Tiergarten wurde einst in Form eines Hakenkreuzes gebaut“, verrät die B. Z. hinter vorgehaltener Hand. Stimmt bloß nicht. Es war die Form eines H. Aber ist das nicht dasselbe? Alles irgendwie Heil, Hitler und Hakenkreuz? Egal. Ich bleibe in meiner Wohnung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.