Proteste gegen Rüstungsmesse in Stuttgart: Töten per Mausklick

Zum ersten Mal soll im Mai 2018 die größte europäische Messe für militärische IT in Stuttgart stattfinden. Aktivist*innen wollen das verhindern.

Zwei Kampfflugzeuge in der Luft

Lockheed Martin, Hersteller dieser Kampfjets, will sich auch in Stuttgart präsentieren Foto: reuters

BERLIN taz | Ganz allein und mit vom Wind zerzaustem weißen Haar steht Paul Russmann vor der Messe in Stuttgart. Um seinen Hals hängt ein Plakat mit den Worten „Militärmesse ITEC 2018 stoppen“. Zu sehen ist diese Szene in einem kurzen Beitrag des SWR, der während der vergangenen Aufsichtsratssitzung der Landesmesse Stuttgart gedreht wurde.

Wie Russmann erzählt, hatte es sein Bündnis „Ohne Rüstung leben“ geschafft, dass der Vertrag zwischen der Messe und dem Veranstalter Clarion Events überhaupt auf der Tagesordnung der Sitzung stand. In der Vereinbarung geht es um die ITEC, die größte europäische Messe für den militärischen IT-Bereich. Sie soll im Mai 2018 in Stuttgart stattfinden – was Russmann, die Menschenrechtsorganisation urgewald und auch einige Mitglieder im Aufsichtsrat noch verhindern möchten. Stefan Urbat von der Piratenpartei hat bei der Sitzung dafür gestimmt, dass der Vertrag wieder aufgelöst werden soll, blieb damit aber in der Minderheit. „Auf der Messe geht es ganz klar ums Töten“, sagt er.

Tatsächlich präsentieren Rüstungsunternehmen aus aller Welt bei der ITEC ihre neuesten Entwicklungen etwa für Simulationstechnologien, Raketenabwehr oder Drohnentechnik. „Töten ist heutzutage eben sehr technisch geworden“, sagt Urbat.

In diesem Jahr fand die Veranstaltung in Rotterdam statt. Von den 2.238 Ausstellenden gehörten 636 zum Militärsektor. In Köln, wo die ITEC zuletzt 2014 ausgetragen wurde, hat man sich nach Protesten von Aktivist*innen entschieden, die Koelnmesse nicht mehr als Veranstaltungsort zur Verfügung zu stellen.

Software für Polizei, Feuerwehr und Sicherheitsfirmen

Markus Vogt, Pressesprecher der Messe Stuttgart, beteuert, man habe sich „intensiv“ mit den Inhalten auseinandergesetzt und sei zu dem Schluss gelangt: „Das ist definitiv keine Waffen- oder Militärmesse.“ Er verweist auf die Simulations- und Trainingssoftware für Polizei, Feuerwehr und Sicherheitsfirmen, die dort ausgestellt würde. Tatsächlich finden sich in der Liste der Teilnehmenden auch Firmen wie Canon, Festo, Saab und Sony. Gleichzeitig werden als Sponsoren der Rüstungsriese Rheinmetall und Thales aufgeführt. Ein weiterer Gast auf der Messe ist Lockheed Martin, der größte Kriegsgerätehersteller der Welt.

Die Landesmesse Stuttgart gehört je zur Hälfte der Stadt und dem Land Baden-Württemberg, auf das operative Geschäft des Unternehmens nehmen beide keinen Einfluss. Eine gewisse Macht liegt beim Aufsichtsrat, doch man müsse zur Kenntnis nehmen, dass der sich mit Mehrheit für die Messe entschieden habe, sagt der Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende Michael Föll (CDU). Die Veranstaltung sei „nicht grundsätzlich imageschädigend“, heißt es seitens der Stadt. Auch wegen der „wichtigen Stützpunkte“ der U.S. Army und der Bundeswehr in Baden-Württemberg.

Von den 2.238 Ausstellenden in diesem Jahr gehörten 636 zum Militärsektor

Paul Russmann stand indes am Mittwochabend wieder mit Ak­ti­vist*innen vor der Landesmesse und protestierte. „Wer Krieg simuliert, der will Krieg führen“, sagt er.

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